Isländisch Roulette: Thriller (German Edition)
Um Viertel vor zehn rollt er nach knapp drei Stunden Fahrt auf den Hof der Nummer 53 in der Rijfstraat in Antwerpen. Steinn Þorri hat ihm erzählt, dass dort der weltbeste Diamantenschleifer lebe, zusammen mit einem seiner besten Freunde, Jean-Claude Verlaant. Jón Þorbergur ist gespannt und sehr daran interessiert, diese ihm völlig unbekannte Welt kennenzulernen. Steinn Þorri hat Jean-Claude als einen kleinen, schlanken, exzentrischen Sechzigjährigen beschrieben, der einen langen, grauen Kinnbart und einen Burberry-Hut sowie stets einen grauen Seidenanzug trägt. Jón Þorbergur erkennt den Mann sofort, als er mit seinem Aktenkoffer die Werkstatt betritt.
»Bist du Nonni?«, fragt der Mann mit dem grauen Kinnbart.
»Ja, das bin ich.«
»Sei willkommen! Ich heiße Jean-Claude Verlaant, und das ist mein Freund Burt de Lang, der ein Magier ist, wenn es um das Schleifen von Diamanten geht.«
Jón Þorbergur bemerkt, dass der Riese neben Jean-Claude ziemlich rot wird bei dem Lob, mit dem ihn sein Partner überhäuft. Er gibt beiden die Hand und kommt dabei nicht umhin festzustellen, dass die Hände des Riesen die feingliedrigsten sind, die er je gesehen hat. Dort steht ein Zweimetermann, doch seine Hände sind wie die einer schlanken Frau.
Unfassbar, denkt er.
»Wie ich sehe, hast du eine Aktentasche mitgebracht«, bemerkt Jean-Claude lächelnd.
»Ja, hier ist das Geld«, sagt Jón Þorbergur und übergibt ihm die Tasche.
Jean-Claude bedeutet ihm, nach oben in die zweite Etage mitzukommen. Dort befindet sich eine kleine Teeküche.
»Hier haben wir Ruhe. Wir können miteinander reden«, sagt er und beginnt, Jón über Diamanten zu unterrichten: »Wie Steinn Þorri weiß und dir sicherlich erzählt hat, bin ich Diamantenhändler, und das beinah von Geburt an. Mein Vater war Diamantenhändler, mein Großvater ebenfalls sowie fünf Generationen vor ihm. Hier in Antwerpen liegt uns das im Blut. Genauso ist es bei Burt, den du hier unten kennengelernt hast und dem die Werkstatt gehört. Neun Generationen vor ihm waren Diamantenschleifer gewesen, und alle waren sie unter den Besten der Welt, jeder zu seiner Zeit«, erzählt Jean-Claude und sieht Jón Þorbergur forschendan. »Die wenigsten außerhalb der Welt der Diamanten wissen es, aber Antwerpen ist seit dem Jahr 1483 die Hauptstadt der Diamantenindustrie, und heutzutage gehen über neunzig Prozent aller Rohdiamanten weltweit und die Hälfte der geschliffenen durch diese Stadt. In Belgien gibt es zehntausend Diamantenschleifer, und die meisten von ihnen sind hier in Antwerpen«, sagt Jean-Claude und zeigt auf das Foto einer Statue, das an der Wand gegenüber von der Teeküche hängt. Die Statue stellt einen Mann mit Federhut dar, der einen Mantel trägt und in der rechten Hand einen großen bronzenen Diamanten. »Das ist Lodewyk van Berken, der erste und berühmteste Schleifer der Stadt. Er ist eine Legende, lebte in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts und revolutionierte das Diamantschleifen vollständig, indem er ein mit Diamantenstaub und Olivenöl überzogenes Schleifrad benutzte. Ihm ist es zu verdanken, dass Antwerpen zur Hauptstadt der Diamantenindustrie wurde, denn die fähigsten Schleifer der Welt kamen in die Stadt, um von ihm zu lernen. Eine riesengroße Statue von ihm steht hier etwas weiter oben an der Pelikanstraat«, sagt Jean-Claude, und es ist offensichtlich, wie viel Achtung er vor van Berken hat.
Jón Þorbergur hört aufmerksam zu, schließlich kann ein solcher Vortrag von einem Mann solch umfangreichen Wissens wie Jean-Claude nützlich sein.
»Der Diamantenhandel findet beinah ausschließlich innerhalb der umliegenden vier Straßen hier in der Stadt statt. Das sind Hovenierstraat, die sehr groß ist und direkt hier unten nach rechts führt, Schuppstraat, welche rechts von der Hovenierstraat abgeht, Rijfstraat, in der wir uns gerade befinden, und dann Pelikanstraat hier oberhalb, die die größte ist. Dort befinden sich drei von vier angesehenen Diamantclubs der Stadt und unter ihnen meiner,
The Diamond Club
, der der älteste und achtbarste ist«, erzählt Jean-Claude. Jón Þorbergur lauscht andächtig. »Wenn Diamanten angekauft werden, dreht sich alles um die vier C, so wie sie auf Englisch genannt werden. Karat, beziehungsweiße Gewicht (Carat), Reinheit (Clarity), Farbe (Colour) und Schliff (Cut). Du findest keinen Besseren als mich, um sich um diese Geschäfte zu kümmern. Das kann ich dir garantieren. Und auf keinen
Weitere Kostenlose Bücher