Isländisch Roulette: Thriller (German Edition)
Wir bekommen nicht viele Gelegenheiten, um diesen Typen abzulichten.«
»Werde ich tun«, antwortet Sigríður.
Tryggvi Þorsteinsson, Fotoreporter beim
Dagblaðið
, sieht nervös auf die Uhr. Es ist acht. Er steht seit einer guten Stunde mit der Kamera startklar vor dem Amtsgerichtin der Fjarðargata in Hafnarfjörður. In dieser Stunde hat Hörður acht Mal angerufen um nachzufragen, ob er auch auf jeden Fall wach sei.
»Es ist am besten, das hier nicht zu verpassen. Sonst faltet dieser Verrückte einen zusammen«, murmelt er vor sich hin. Er nimmt eine Bewegung an der Ecke des Gerichtsgebäudes wahr und sieht einen braunen Skoda am Gehweg halten. Zwei Polizisten in Zivil steigen aus und führen in ihrer Mitte einen kahlgeschorenen Riesen. Er hat ein breites Kreuz und einen rohen Gesichtsausdruck. Das muss der Litauer sein, denkt Tryggvi und beginnt, ihn ausgiebig zu fotografieren. Der Litauer bemüht sich nicht, sein Gesicht zu verbergen. Er grinst zu dem Fotografen herüber und zeigt ihm den Mittelfinger. Jesus Christ! Nicht dass ich diesem Kerl in einer schmalen Gasse im Dunkeln begegnen möchte, denkt Tryggvi.
Die drei Männer betreten das Gerichtsgebäude, Tryggvi packt seine Ausrüstung zusammen. Am besten ist es, sich schnell auf den Weg zur Redaktion zu machen, bevor Hörður eine Herzattacke kriegt.
»Das war Eyjólfur, unser Beauftragter. Wir haben zwei Wochen für ihn bekommen«, sagt Rúnar Páll zu Gunnar.
Gunnar stößt zufrieden die Luft aus und sieht auf seine Uhr. Es ist neun. Er ist jetzt seit anderthalb Tagenim Dienst und im Büro und bemerkt, dass er vor lauter Schlafmangel und Hunger schon zittert.
»Na, das ist ja schön. Wir sollten nach Hause gehen und uns für den morgigen Tag ausruhen. Das ist eine ganz schöne Tour für uns gewesen, mein Junge.«
»Turbo-Tryggvi! Ich wusste, dass du keinen Bock hast, demnächst Hamburger zu braten. Das ist Superstoff, den du da hast«, lobt Hörður, als er vor dem Layout-Rechner sitzt und die Titelseite für den nächsten Tag betrachtet. Darauf ist Arvydas zu sehen, wie er Tryggvi grinsend den Stinkefinger zeigt.
»Dieser Mann scheint ein ziemlicher Idiot zu sein. Aber auch ein gutes Fotoobjekt.« Die Titelseite für den morgigen Tag ist fertig.
Litauischer Auftragskiller
ermordet Milliardär
Verbindungen zur Mafia in Untersuchung
Mordwaffe aufgefunden
Nachbarn unter Schock
Hörður tanzt vor Glück durch die Redaktion. »Verdammt, ist das ein geiles Titelblatt. Die Ausgabe wird in null Komma nichts ausverkauft sein.« Die Fernsehsender hatten nichts weiter als die Pressemitteilung der Polizei, in der es nur hieß, dass ein Mann ausländischerHerkunft im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Mord an Reynir Sveinn Reynisson festgenommen wurde. »Und wieder einmal bin ich der Beste. Wie stelle ich es eigentlich an, die Konkurrenz immer wieder zu überrollen, Tag für Tag, Woche für Woche?«, fragt Hörður, doch niemand antwortet.
»Herrje! Das war ja wohl eine extreme Schicht«, empfängt Inga Dóra ihren Mann Gunnar, als er zu Hause in der Álftamýri zur Tür hereinkommt. Es ist Viertel nach neun. »Willst du dich wirklich mit dieser verdammten Arbeit umbringen? Ist es das, was du vorhast?«
»Ach, meine liebe Inga. Du weißt doch, wie das ist. Ich konnte ja nicht mitten in der Havarie nach Hause gehen. Aber ich denke, wir haben den schlimmsten Teil hinter uns«, sagt Gunnar und lächelt seine Frau an.
»Na dann spring schnell unter die Dusche. Ich werde dir etwas zu essen machen. Und dann gehst du direkt ins Bett«, schlägt sie vor und erwidert sein Lächeln.
Gunnar gehorcht. Er weiß, dass sie nur daran denkt, was das Beste für ihn ist.
Reykjavík, Montag, 24. Mai 2010
»Diese Nacht Ruhe hat mir gut getan«, berichtet Gunnar Rúnar Páll erholt, als sie wieder in seinem Büro sitzen.
Rúnar Páll ist immer wieder erstaunt, wie Gunnar sich so fit halten kann. Der Trick ist bestimmt Bewegung und positives Denken. Eben. Er sollte sich auch dazu aufraffen. Bald.
»Kaffee«, ruft Gunnar in die Ermittlergruppe und geht leichtfüßig in den Konferenzraum. Er schaut in die Runde. Das sind gute Leute, tüchtig und anständig. Er hat Glück.
»Gestern hatten wir endlich einen wirklichen Erfolg zu verbuchen. Wir haben Arvydas Savanauskas festgenommen, einen fünfunddreißigjährigen Mann aus Litauen. In seiner Wohnung wurde ein Jagdmesser sichergestellt, an dem sich Blut und seine Fingerabdrücke
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