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Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Titel: Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
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Kiffer-Blick zogen einander wie Magneten an. Es gab eine große Gruppe von Gang-Bräuten, die sich argwöhnisch belauerten. Und eine kleine Gruppe von leicht schmuddeligen Herumtreiberinnen, die ihre Kindheit wohl in Waisenhäusern und Heimen verbracht hatten – Rohdiamanten, die sich nur schleifen ließen, wenn man es verstand, die Wut zu bändigen, die in ihren Augen schwelte. Dann waren da noch die Lilous dieser Welt – nur ganz wenige dieser raren Exemplare –, die allesamt nach Drogenpartys auf teuren Jachten in Gesellschaft anderer gelangweilter Promis rochen.
    Aber keine Clique für mich, und wen überraschte das? Es gab nun mal kein Überangebot an Mädels, die einen bizarr hohen IQ besaßen. Wenn ich gedacht hatte, ich könnte hier ein paar Freundinnen finden, dann musste ich wohl schleunigst umdenken.
    Wieder hörte ich ein paar französische Sätze. Mein Leben lang hatte ich davon geträumt, einmal nach Paris zu reisen. Ich konnte mich akzentfrei in der Landessprache unterhalten. Ich hatte eine Schwäche für Madeleines, bewunderte Vanessa Paradis und liebte die Filme von François Truffaut. Ich war praktisch Französin. Wenn ich in irgendein Raster passte, dann in dieses. Mit erhobenem Kinn ging ich auf die lebhaften Stimmen zu.
    Ich fand die beiden Mädels sofort. Einen Moment lang hörte ich ihnen einfach zu. Sie beklagten sich bitter, dass man ihnen ihre Zigaretten abgenommen hatte. Selbst wenn sie stumm geblieben wären, ihr Äußeres hätte sie verraten. Beide waren blass und dünn wie Models. Eine hatte den superkurzen, stumpf geschnittenen Pony, den nur Französinnen und vielleicht noch Katy Perry tragen konnten. Die andere war mehr der unkonventionelle Künstlertyp, wirkte jedoch mit ihrem dunklen Pagenkopf irgendwie schwermütig.
    » Bonjour «, begrüßte ich sie, halb freundlich und halb cool. » Quel bordel, n’est-ce pas? « Ich hielt das für eine geschickte und zugleich lässige Version von Ein irres Chaos, was?
    Sie rissen entsetzt die Augen auf und erstarrten. Pagenkopf fand es unter ihrer Würde, mich auch nur anzusehen. Aber Pony drehte sich langsam zu mir um und setzte mich mit einem starken Akzent darüber in Kenntnis, dass sie und ihre Begleiterin nichts mit mir zu tun haben wollten.
    Damit nahmen sie ihr Geplauder wieder auf, als sei ich Luft.
    Plötzlich fühlte ich mich elend. Schlimmer noch, ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Allem Anschein nach verschaffte mir selbst dieses abgefuckte Erlebnis, das unser aller Dasein veränderte und uns schon deshalb zusammenschweißen sollte, keinen Zutritt zur Gemeinschaft. Eine Intelligenzbestie wie ich konnte selbst auf einer irrwitzigen Insel mitten im Nichts keine Freunde finden.
    Es begann zu schneien. Die Temperatur schien so unvermittelt gesunken zu sein wie meine Zukunftsaussichten.
    Ich zog den Reißverschluss meines Parkas bis ans Kinn hoch. Sieben Grad, dass ich nicht lache! So viel zu den Bauernregeln unseres einheimischen Wetterpropheten.
    »Das erinnert mich an diesen Weihnachtsfilm – Santa Claus hieß er, glaube ich.« Eine Stimme mit leichtem New Yorker Slang durchbrach meine düsteren Gedankengänge. Schon wieder eine Anspielung auf Christmas! Hörte das denn nie auf? Ich blickte suchend umher und erspähte zwei brünette Mädels, die ihrer Ähnlichkeit nach Zwillinge sein konnten.
    »Du meinst die Szene, wo alle Kinder aus dem Zug steigen …«
    »Nur dass der hier bestimmt nicht der Weihnachtsmann ist«, warf Brünette Nummer eins ein.
    Ich schaute in die gleiche Richtung wie sie. Auf die mächtige Granit-Plattform, die mir gleich bei unserer Ankunft im Schatten der Steinsäulen aufgefallen war, hatte sich ein Typ geschwungen, der aussehensmäßig sämtliche Artgenossen mit links überholte. Dabei erspähte ich nur die obere Hälfte des Supermanns, da mir die vielen Mädchen die Sicht versperrten.
    »Aber hallo«, schnurrte Nummer zwei. »Der dürfte mir jederzeit sein Geschenk in den Strumpf stopfen.«
    »Igitt«, hörte ich mich murmeln.
    Sie wirbelten herum. »Schnauze!«, fauchte die Kleinere der beiden.
    Ich hielt ihrem Blick einen Moment lang stand und wandte dann meine Aufmerksamkeit voll der erhöhten Plattform zu. Allem Anschein nach waren die meisten Mädels hier ausgesprochen giftig und hasserfüllt. Ob das zu ihren besonderen Begabungen gehörte?
    In einem Punkt hatte das auf Zwillinge gestylte Paar allerdings recht: Der Typ da oben war der absolute Hammer. Mit seinem energischen Kinn, dem

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