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Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Titel: Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
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haben. Aber zumindest den Sport- BH konnten sie sich bei dir sparen.«
    Die beliebten Größenvergleiche – zum Totlachen. Obwohl ich meine einssechzig durchaus respektabel fand, überragte mich Lilou natürlich um gut fünfzehn Zentimeter. Barfuß.
    Mein Lächeln wurde noch strahlender. Manchmal war Angriff die beste Verteidigung. »Glück für dich. Da blieb genug Material für ein paar XL -Teile.«
    Meine neue Freundin bekam schmale Augen. Dann rempelte sie mich beiseite und stürmte ins Klo.
    Die Tür knallte ins Schloss, und ich rieb mir den Oberarm, wo mich ihr Ellbogen getroffen hatte. Die Partie war eröffnet, wenn mich nicht alles täuschte.

Ein Range Rover mit dunkel getönten Scheiben holte uns an der Landebahn der Insel ab. Das heißt, wenn man einen schmalen Betonstreifen auf einem Schneefeld als Landebahn und den öden Felsen, auf dem wir eben aufgesetzt hatten, als Insel bezeichnen konnte.
    Ich zog den Reißverschluss meines marineblauen Parkas ein Stück auf und staunte über die milde Luft, die mir entgegenströmte. »Wow! So schlimm ist das hier im Freien gar nicht.«
    »Aye, zwischen den Schlechtwetter-Fronten geht es einigermaßen.« Unser betagter Fahrer lächelte mich an und enthüllte dabei mehr als nur einige Zahnlücken. Ich fragte mich, ob er einer der Alten war, die Ronan erwähnt hatte. Er sprach langsam und holprig, aber sein Akzent war gut zu verstehen. »Mal abgesehen vom Wind. Wenn der richtig bläst, musst du aufpassen, dass er dich nicht umwirft.«
    Ich dachte an den Anblick, der sich mir vom Flugzeug aus geboten hatte. Eine kleine, baumlose und fast unbewohnte Insel mitten im Atlantik. Ich konnte mir vorstellen, dass hier gewaltige Stürme über die Klippen fegten.
    Aufmerksam blickte ich mich um und nahm meine neue Umgebung auf. Lange, flache Felsbänke erstreckten sich in die Ferne. Die leichte Schneeschicht, die sie überpuderte, begann bereits wieder zu verdunsten. Das gleichförmige Grau, das sie hinterließ, war ein paar Nuancen dunkler als der farblose Himmel.
    Trostlos. Und doch irgendwie atemberaubend. »Wie schön!«
    »Schön?« Lilou stieg aus dem Flugzeug, geschmeidig wie eine Katze und in ihrer Uniform hinreißender denn je. Allem Anschein nach brachten Marineblau und Grau den rötlichen Schimmer in ihrem Haar erst richtig zur Geltung. Ich runzelte die Stirn, aber sie ging mit einem Lächeln darüber hinweg. »Wenn du meinst, Freak .«
    Schon wieder dieses Wort. Ich zuckte zusammen. Aber dann merkte ich, dass Ronan mich ansah. Kleine Fältchen umspielten seine Augenwinkel. Einen Moment lang las ich Wärme in seinem Blick. Dann wandte er sich ab.
    Der alte Mann sog prüfend die Luft ein. »Der Schnee bleibt nie lange liegen. Ich schätze mal, dass wir bis mittags an die sieben Grad haben werden.«
    »Sieben?« Lilou vergrub die Fäuste in den Taschen ihres Parkas, als verursachte ihr der bloße Gedanke einen Kälteschock.
    Ich gab mir keine große Mühe, mein Erstaunen zu verbergen. »Celsius.« Was sonst, du Blödi! »Das sind für dich …«, ich rechnete rasch nach, »… ungefähr fünfundvierzig Grad Fahrenheit.«
    »Hey, du kommst echt aus dem Mutantenstadel!« Sie schob sich an uns vorbei, schmiss ihren Seesack lässig in den Schnee hinter dem Range Rover und kletterte in den Wagen. Während der Fahrer ihr Gepäck einlud, nahm Ronan auf dem Beifahrersitz Platz. Ich stieg ein und rückte so dicht wie möglich an die Tür, um nur ja nicht an Mimi zu stoßen. Die Stirn gegen das kühle Fenster gepresst, beschloss ich, die Fahrt schweigend hinter mich zu bringen.
    Das Meer drängte von allen Seiten heran. Obwohl ich nicht an der Küste gelebt hatte, war Florida nirgends allzu weit vom Wasser entfernt, und trotz meiner Abneigung gegen das Schwimmen hatten Ozeanstrände durchaus etwas Vertrautes für mich. Aber das hier, dieses wilde Brodeln und Branden der See, war mir völlig fremd. Die Wogen schlugen so wütend und tückisch gegen das Land, als seien sie auf einem Rachefeldzug.
    Die Landschaft bestand aus Felsen und nichts als Felsen, aus schartigen Buckeln, steilen Klippen und mächtigen, abgeflachten Blöcken. Selbst draußen vor der Küste ragten sie auf, schoben sich aus dem Wasser wie Schlote oder die Skelette von Riesen.
    Der Range Rover wurde langsamer, wendete und hielt.
    Ich erwachte aus meiner Erstarrung und reckte den Hals, um einen Blick nach der anderen Seite zu werfen. Eine mittelalterlich wirkende Festung zeichnete sich bedrohlich auf einer nahen

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