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Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Titel: Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
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im Hinterkopf das Echo von Ronans Stimme. Ist auf der Insel nicht erlaubt. Das Bild war so klein und dünn, dass ich es mit Leichtigkeit verstecken konnte. Aber der iPod? Ich musterte seine kalte, glasige Oberfläche. War er das Risiko wert?
    Wie zur Antwort spürte ich erneut diese Vibrationen, die sich von den Beinen über die Wirbelsäule bis zu den Fingerspitzen ausbreiteten. Meine Musik. Meine Musik war mein einziger Trost. Mein einziger Freund. Ich konnte sie einfach nicht zurücklassen.
    Es haute mich schon um, dass ich auf meinen Lieblingshut verzichten musste. Und das gab schließlich den Ausschlag. Ich musste auf dieser Insel, wo immer sie sich befinden mochte, irgendwie ich selbst bleiben.
    Ich verstaute mein Schmuggelgut dicht am Körper, dankbar, dass zu unserer »Dienstkleidung« auch eine geräumige Baumwollunterhose gehörte. Ich grinste. Von String-Tangas hielten die weisen Alten auf der Insel vermutlich wenig.
    Ich strich noch einmal mein Outfit glatt, stellte mich auf die Zehenspitzen und überprüfte in dem winzigen Klospiegel, ob alles seine Ordnung hatte. Dann gestattete ich mir ein strahlendes Lächeln. Die komische Uniform erfüllte ihren Zweck. Ich hatte Ähnlichkeit mit Madeline, der Kinderbuch-Heldin, die für einige Zeit ihr französisches Internat gegen eine Jugendstrafanstalt getauscht hatte.
    Nur meine Haare sahen schlimm aus. Ich presste die Lippen zusammen. Ein Hut, die Hitze von Florida und die trockene Luft an Bord der Maschine waren das Rezept für eine total angeklatschte Frisur. Eigentlich kann mit langen, schnittlauchgeraden Haaren nicht viel schiefgehen, aber meine schafften es irgendwie immer. Ich fuhr mit den Fingerspitzen durch die schlappen Strähnen und versuchte sie aufzulockern, so gut es ging. Mein Fedora hatte einen deutlichen Abdruck in der gelbblonden Pracht hinterlassen. Ich zuckte mit den Schultern. Vielleicht fand sich im Kulturbeutel der mir zugeteilten Ausrüstung so etwas wie ein Kamm.
    »Jetzt oder nie«, murmelte ich und stieß die Klotür auf.
    Lilou tat einen Sprung nach hinten, um nicht getroffen zu werden. Sie hatte mit ihrer Uniform über dem Arm draußen gewartet. Ich empfand es als einen Schock, sie aus der Nähe zu sehen. Sie war noch hübscher, als ich gedacht hatte. Und sie starrte mich mit hasserfüllten Augen an.
    Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück. Warum hatte sie vom ersten Moment an eine solche Abneigung gegen mich entwickelt? Konnte es sein, dass sie niemanden mochte? Aber mit Mimi hatte sie sich durchaus freundlich unterhalten.
    Ich musterte sie vom Scheitel bis zur Sohle, als könnte mir das den entscheidenden Hinweis geben, und mein Blick blieb an einer Schramme in ihrem prächtigen Lack hängen. Eine vom Halsausschnitt fast verdeckte Brandnarbe bildete einen unschönen Wulst auf ihrer ansonsten makellosen Haut.
    »Was guckst du so dämlich?«, fragte sie mit ihrer klirrenden Cheerleader-Stimme. Ihr war klar, dass ich ihre Schwachstelle entdeckt hatte, und das gefiel ihr ganz und gar nicht.
    »Ich gucke wie immer«, entgegnete ich mit einem schwachen Achselzucken.
    Lilous Mean-Girls-Nummer war eine Art Überreaktion, und ich fragte mich, was sie wohl zu verbergen hatte. Aber ich war lange genug der brutalen Härte meines Vaters ausgeliefert gewesen, und meine gut geschulten Überlebensinstinkte rieten mir, mich von ihr fernzuhalten.
    Sie betrachtete spöttisch meine traurigen Strähnen und stieß ein kurzes, gackerndes Lachen aus.
    Ich presste die Lippen zu einem Strich zusammen. Sich von Lilou fernzuhalten, war eine Sache. Aber ich hasste es, wenn die Leute meine Haare runtermachten. Lange, hellblonde Haare, an eine Streberin verschwendet … haha .
    »Mir fehlen die Worte«, stieß sie hervor.
    »Na, das überrascht mich kaum«, fauchte ich, ohne lange nachzudenken, und bedachte sie mit einem strahlenden Lächeln. Ich hatte mir zwar geschworen, meinen Sarkasmus in Zaum zu halten, aber hin und wieder musste ich einfach ein paar Giftpfeile abschießen. Lilous Waffe war die Schönheit. Ich dagegen hatte nur meine scharfe Zunge, um mich zur Wehr zu setzen.
    Und es wurde Zeit, dass ich mich zur Wehr setzte, denn diese Zicke begann mir ehrlich Angst einzujagen. Ihre Reaktion mir gegenüber war so übertrieben, dass sie total bösartig und gestört rüberkam. Eine krasse Mischung, die es echt in sich hatte.
    Verächtlich nahm sie mich in Augenschein. »Ich wusste gar nicht, dass sie die Uniformen auch in Kindergrößen vorrätig

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