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Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Titel: Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
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jungenhaften Blick und dem wild zerzausten, in hundert Goldtönen schimmernden Haar erinnerte er mich an einen dieser unbekümmerten kalifornischen Jungs, die es verstanden, das Leben zu genießen. Anfang zwanzig, meiner Schätzung nach.
    Ich lächelte ihn an. Vermutlich war ich nicht die Einzige, die das tat. Dann schob ich mich näher an die Plattform heran.
    Er strahlte in die Menge, und sanfte Wärme hüllte uns ein. »Hallo, ihr Lieben!«
    Hitzewogen jagten durch meinen Körper. Seine Stimme war tief und sexy, mit dem Hauch eines französischen Akzents.
    Ringsum erhob sich ein ehrfürchtiges Murmeln. Er lachte leise. Offensichtlich war ihm diese Bewunderung nicht fremd.
    »Mein Name ist Claude Fournier.« Sein Akzent wurde stärker, als er den Namen aussprach, und ich war dem Delirium nahe. »Für euch Rektor Fournier.«
    Rektor? Er war der jüngste Rektor, den ich je gesehen hatte. Oder besser, er war der jüngste Rektor, den ich mir vorstellen konnte, denn gesehen hatte ich ja noch keinen.
    Er begann an der Längskante der Plattform auf und ab zu gehen. »Wir benutzen hier eine ganze Reihe von formellen Anreden, die euch in Kürze alle vertraut sein werden. Tradition, müsst ihr wissen, ist der Grundpfeiler unserer Insel, und obwohl manche von euch unsere Umgangsformen vielleicht als … passé betrachten«, er unterstrich das Wort durch eine kleine Handbewegung, »werden sie euch bei der Erziehung zu jungen Damen sehr hilfreich sein.«
    Die Erziehung zu jungen Damen? Konnte es sein, dass ich mich verhört hatte? Mein Lächeln geriet ins Wanken, und an den gemurmelten Kommentaren in meiner Umgebung erkannte ich, dass ich nicht die Einzige war, die sich über die antiquierten Ansichten von Monsieur wunderte. Ich fragte mich, wie ein so heißer Typ so spießig sein konnte. Vielleicht hatte er sich diese Masche zurechtgelegt, um die Leute davon abzulenken, dass er der jüngste Rektor der Welt war.
    »Unsere Traditionen sind sehr alt.« Er zog einen Schmollmund und bedachte uns mit einem Lächeln, das schelmisch wirken sollte. Meine Instinkte ließen ein paar schrille Warnsignale los. »Wir leben nach festen Verhaltensregeln. Nur wer diese Regeln befolgt, wird ans Ziel kommen. Unsere Anforderungen sind hoch, unsere Erwartungen noch höher. Aber einige wenige von euch werden sie übertreffen. Und diesen wenigen wird Erfolg beschieden sein.«
    In was für ein schräges Töchter-Pensionat war ich da geraten? Ich zwang mich, nicht auf sein Aussehen zu achten, und konzentrierte mich eisern auf seine Worte. All dieses Gefasel über Umgangsformen und Verhaltensregeln – irgendwas lief da total verkehrt.
    Scheiße, Mann! War das etwa eine abgefuckte Erziehungsanstalt, die mir meine Stiefmutter eingebrockt hatte? Ich hatte Schauermärchen über Trainingscamps für straffällige Jugendliche gehört. Mein Blick wanderte zu den Mädchen, die rechts und links von mir standen. Sie strahlten alle diese Kälte aus, die ich auch bei Mimi und Lilou bemerkt hatte. Und ihre Blicke waren hart und lauernd, als würden sie sich ständig angegriffen fühlen.
    Ich fröstelte. Sah ich auch so aus? So abwehrend? So bösartig?
    »Ihr müsst nämlich eines wissen – …« Er machte eine dramatische Pause, und das Wispern ringsum verstummte. Alle Augen richteten sich wieder auf ihn. »Wir sind Vampire .«
    Man hätte das Herunterfallen einer Stecknadel hören können.
    Ich hielt unauffällig nach einer versteckten Kamera Ausschau. Mir war von Anfang an klar gewesen, dass uns dieser heiße Typ verarschte. Rektor, von wegen! Ich tippte auf Schauspieler. Jeden Moment würde ein Showmoderator aus den Kulissen springen und Voll erwischt oder Verstehen Sie Spaß? rufen.
    Und doch warnte mich irgendein Urinstinkt im hintersten Winkel meines Denkapparats, sehr, sehr vorsichtig zu sein. Ich verhielt mich still und beobachtete die Szene.
    Der Lärm brach von Neuem los, aber diesmal übertönte ein schrilles Gelächter das Stimmengewirr. Ich stellte mich auf Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Es war Mimi.
    Rektor Fournier stand wie in Stein gemeißelt da. Starr und kalt. Sein Blick wanderte über die Menge – streifte mich einen schrecklichen Moment lang – und blieb dann an Mimi hängen. »Amüsiere ich dich?«
    »Yeah«, erwiderte sie in jenem gedehnten Tonfall, den die Zicken aller Zeiten perfekt draufhaben. Er drückte Langeweile und Entrüstung zugleich aus.
    »Dann komm doch bitte zu mir.« Er winkte sie näher und hob fragend die

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