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Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Titel: Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
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Brust. Noch nie zuvor hatten mir gute Leistungen in der Schule einen unvorstellbar reichen Lohn eingebracht. Schon der Gedanke, was das heißen mochte, ließ meinen Atem stocken.
    Nahkampf, der bescheuerte Gesellschaftstanz – ich schwor mir, alles zu tun, um auch in diesen Disziplinen zu glänzen. Aber ich war sicher, dass die Prüfung in einem wissenschaftlichen Fach stattfinden würde.
    Ich schaute auf, und er musterte mich immer noch. Irgendwie erwartungsvoll. Ich spürte ein Kribbeln im Nacken. Konnte er meine Gedanken lesen? Bestätigte er meine Schlussfolgerung?
    Alles war möglich. Master Alcántara war ein Mysterium, ein lebendig gewordener Mythos. Zeitlos. Unerforschlich. Furcht einflößend. Sein Blick schien anzudeuten, dass wir ein Geheimnis teilten. Ein Geheimnis, das ich erst noch enthüllen musste. Das gab mir Hoffnung.
    Unvermittelt schien er sich in Luft aufzulösen. Eine flirrende Bewegung – und Master Alcántara war verschwunden. Das erinnerte an einen fehlerhaften Film, wenn eine Szene kurz stockte, eine Gestalt zu flackern begann und in der nächsten Aufnahme nicht mehr zu sehen war.
    Sucher Judge brachte das Stimmengewirr, das sich im Hörsaal erhob, mit einer Handbewegung zum Verstummen. »Ihr habt Master Alcántara gehört. Das bedeutet, dass die heutigen Hausaufgaben – wie alle Aufgaben, die ich euch stelle – euren vollen Einsatz erfordern.«
    Endlich gelang es mir, einen Blick mit Yasuo zu wechseln. Er verzog den Mund zu einem Huuuh und krümmte die Finger wie bei einer Voodoo-Beschwörung. Ich grinste ihn breit an, immer noch begeistert von meinen Aussichten, den Semesterpreis zu gewinnen.
    Der Hinweis auf die Hausaufgaben holte uns in die sogenannte Realität zurück und löste erneut ein Murren aus. »Ich weiß, dass unser derzeitiges Thema für manche von euch ein Problem darstellt.« Judge hob die Stimme, um sich gegen den Lärm durchzusetzen. »Aber gerade deshalb ist es wichtiger denn je, dass ihr euch anstrengt. Es handelt sich um grundlegende Beweise, die ihr durcharbeiten sollt. Und ich lege Wert darauf, dass ihr die Logik kenntlich macht, die hinter euren Gedankengängen steckt.«
    Wahrscheinlich wollte er sich vergewissern, dass die Mädels nicht schummelten.
    Sobald er uns entließ, stürmten wir alle aus dem Hörsaal. Ein Teil der Mädchen wirkte bedrückt. Obwohl die Geometrie-Beweise, die wir gerade durchnahmen, Lehrstoff der zehnten Klasse waren, kamen nur die wenigsten damit zurecht.
    Ich unterdrückte ein Lächeln. Ich hatte mein Wissen immer für selbstverständlich gehalten und meine Energie für Selbstmitleid in Sachen Sport und Schwimmen verschwendet, aber nun begriff ich, dass ich allen einen Schritt voraus war. Ich konnte geometrische Lehrsätze im Schlaf aufsagen. Vielleicht war Alcántaras Test ja ein kompliziertes Theorem.
    Und das war schwerer zu erlernen, als im Hundstapperer ein Schwimmbecken zu durchqueren.
    Ich wollte diesen Semesterpreis. Und er befand sich in Reichweite. Ich musste mich nur am Riemen reißen. Ich musste schwimmen lernen, im Zweikampf öfter mal Siegerin bleiben und so viele Klimmzüge machen, dass ich bis zum Ende des Semesters noch am Leben war.
    Jemand drückte sich ganz in meiner Nähe herum. Als ich aufschaute, merkte ich, dass Yasuo mich nachdenklich musterte.
    »Na?« Er zog die Augenbrauen hoch und deutete ein Kopfschütteln an. »Mädel, sag bloß nicht, dass dieser Dummschwätzer von einem Vampir dich mit seinem Gesülze eingeseift hat wie alle anderen.«
    Ich setzte zu einem energischen Protest an, brachte aber nur ein Gestammel hervor.
    »Hey, das darf nicht wahr sein, Drew! Echt? O Mann, ich kann es kaum erwarten, bis ich diesen geilen Vampir-Zauber anwenden darf!« Er breitete die Hände aus, als schwelge er in seiner eigenen Großartigkeit. »Warte nur! Bald verdreht auch Vampir Yasuo den edlen Damen die wunderschönen Köpfe!«
    Ich lachte. »Die werden nicht wissen, wie ihnen geschieht!«
    Er nahm meine Jacke und Umhängetasche von der Stuhllehne und streckte mir beides entgegen. »Nun mach schon! Oder willst du bis morgen früh hier sitzen? Ich bin am Verhungern. Wenn wir nicht bald im Speisesaal aufkreuzen, sind die besten Sachen weg!«
    »Wenn du mal etwas außer Brot, Butter und Obstpüree essen würdest, könnte sich dein Magen das Knurren ersparen.« Ich stand auf und nahm ihm meine Sachen ab, zog die Jacke aber nicht an. »Geh du mal voraus. Sucher Judge wollte mir nach der Stunde noch Fragen zum Computer

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