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Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Titel: Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
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Vampire hierher zurückgezogen?«
    »Aye, genau deshalb. Vampire können sich auf dieser Insel frei bewegen und die Illusion von Sonne auf der Haut genießen, ohne Schaden zu erleiden.« Seine Stimme verriet, dass er aufgewühlt war, und ich begriff, dass es hier nicht um den Verlust von Sonnenbräune und seine tägliche Dosis Vitamin D ging. »Also, genieße das Dunkel jetzt, Annelise, weil du es vermissen wirst, wenn das Dämmerlicht einsetzt.«
    »Schön, ich fange gleich morgen damit an.« Mein Herzschlag beschleunigte sich, als vor uns eine Bucht mit sanft ans Ufer schlagenden Wellen auftauchte. Das metallische Grau des Himmels ging rasch in Schwärze über und drückte dem Wasser die Farbe der Nacht auf. Ronan hielt neben einem schroffen Felsen, der seinen kalten Schatten auf den Wagen warf. Ich umklammerte den Sicherheitsgurt, ohne ihn zu lösen. »Aber im Moment ist es für meinen Geschmack einfach zu dunkel.«
    »Annelise.« Er wandte sich mir zu. Dramatische Schatten betonten seine Bartstoppeln, das Grübchen im Kinn und den wilden Haarschopf, als habe er sich in eine Kohlezeichnung verwandelt. »Das Hinausschieben hat keinen Sinn. Du musst lernen. Und du darfst dein Inneres nicht vor der Nacht verschließen. Auch sie kann dir wichtige Dinge beibringen. Es gibt ein chinesisches Sprichwort: Lieber eine Kerze anzünden als über die Finsternis klagen. «
    »Danke, Obi-wan. Ich werde daran denken, wenn ich absaufe.«
    Er hob einen Arm, und ich fuhr meine Stacheln aus. Er versuchte doch nicht etwa, mich mit einer dieser Berührungen zu überzeugen? Ich hielt den Atem an, aber der Augenblick verstrich, ohne dass etwas geschah.
    Stattdessen deutete er zum Ufer. »Geh ans Ufer und tauche schon mal die Füße ein. Ich muss mich noch umziehen.«
    »Du kommst mit?« Grenzenlose Erleichterung erfasste mich. Dabei hätte mir das eigentlich klar sein müssen. Aber mein Gehirn befand sich in Panik und hatte die Logik ausgeschaltet.
    Ein neuer Gedanke drängte sich in den Vordergrund. Ronan und ich gemeinsam im Wasser. Und er nicht mehr in Badeshorts, sondern in einem Neoprenanzug. Einem hautengen Neoprenanzug.
    Er lächelte schwach. »Ich lasse dich nicht ertrinken, Annelise.«
    Und ich glaubte ihm. Ich zwang mich ebenfalls zu einem Lächeln und nickte. Dann ging ich zum Wasser hinunter.
    Große, sanft gerundete Felsblöcke säumten das Ufer. Ich kletterte über sie hinweg. Ein herrliches Gefühl der Freiheit machte sich in meinem Innern breit. Ich war wie ein Kind, das im Halbdunkel über Steine balancierte. Ein Kind, das ich nie gewesen war. Meine Kindheit hatte sich zwischen Einkaufsmeilen und Parkplätzen abgespielt. Aber hier, in der Finsternis dieser Bucht, war Zentral-Florida eine unwirkliche und ferne Erinnerung.
    Ich sprang vom letzten der großen Felsen und befand mich am Saum des Wassers. Vorsichtig näherte ich mich den leise plätschernden Wellen. Ich trug ein Paar eng anliegende Stiefel aus Neopren, die über die Strandkiesel scharrten und mich erstaunlich gut gegen die Elemente schützten.
    Die Dämmerung hatte den Himmel in ein mattes Schiefergrau verwandelt. Ich kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. An anderen Küstenstreifen hatte ich hohe Wellen und eine starke Brandung beobachtet, aber die zu beiden Seiten von Crispin’s Cove aufgetürmten Felsblöcke brachen die vom Meer hereinrollenden Wogen und schwächten sie ab.
    »Fertig?« Ronan trat hinter einem Felsen hervor.
    Ich lachte trocken. »Ich kam schon fertig auf die Welt.«
    Er schob eine Hand unter meinen Ellbogen und wollte mich ins Wasser führen.
    »Halt, halt, halt.« Ich stemmte die Fersen in den Kies. Das Wasser war total schwarz. »Ich bin noch nicht bereit.«
    Er nahm mich an beiden Schultern und drehte mich so, dass ich ihn ansehen musste. »Und das ist deine erste Lektion: Du wirst nie bereit sein. Jetzt komm! Wir wollen heute nur daran arbeiten, dass du in Rückenlage im Wasser treiben kannst. Schaffst du das?«
    Ich glaubte schon, dass ich das schaffte, aber solange er meine Schultern festhielt, traute ich diesem Gefühl nicht. Ich schielte seine Hände an. »Du willst mir einreden, dass ich das schaffe – mit dieser verdammten Magie, die in deinen Berührungen steckt.«
    »Schau mich an, Annelise!« Seine Stimme war dunkel und gebieterisch, und ich hob den Blick, ob ich wollte oder nicht. Eine prickelnde Wärme breitete sich von meinen Schultern aus, stieg in meinen Nacken, vernebelte meine Gedanken. Ich fühlte mich

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