Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
ist mit Ihnen, Deborah?“, fragte Alice Wick. „Was für ein Andenken nehmen Sie mit von der Insel?“
„Darüber habe ich noch gar nicht richtig nachgedacht.“ Deborah war selbst überrascht. Sie war immer schon sentimental gewesen, hatte immer Gefallen an Andenken gefunden. Unwillkürlich hob sie eine Hand an den Hals, wünschte sich, Tom Silver hätte den Anhänger ihrer Mutter nicht an ihren Vater geschickt.
Ein Andenken. Vielleicht sollte sie etwas von der Insel mitnehmen. Sonst würde es ihr in vielen Jahren so vorkommen, als hätte es dieses Abenteuer nicht gegeben. Manche Erinnerungen wollte sie aber behalten, und Isle Royale war eine davon.
Sie wusste auch schon, was sie wollte. Sie hatte es gestern erst gesehen, als sie mit Jens spazieren gegangen war. „Sie haben recht“, sagte sie zu Alice. „Ich sollte etwas mitnehmen. Es wird nur ein paar Minuten dauern, dann bin ich zurück.“
„Wir sind bereit, aufzubrechen“, wandte Henry Wick ein, einen Fuß im Gummistiefel auf Deck, den anderen auf dem Anlegesteg.
„Dann fahre ich auf der Suzette mit“, sagte sie und fand sich damit ab, dass sie die Reise auf einem Schiff zurücklegen würde, dessen Deck glitschig von stinkendem Fischöl war. Im Grunde genommen, gestand sie sich ein, wollte sie ohnehin lieber die Überfahrt mit Tom Silver und Lightning Jack machen. „Es ist in Ordnung. Mein Hund wird vermutlich ohnehin verrückt, wenn ich nicht bei ihm bin.“
„Dann sehen wir uns auf dem Festland“, erwiderte Henry.
Sie nickte, rückte sich Ilsas kratzenden Hut zurecht und stieg zurück auf den Anlegesteg. Dann machte sie sich mit schnellen Schritten auf zu dem Bachbett, das sie gestern entdeckt hatte.
Während sie so lief, fühlte sie sich wild und frei. Ah, diese Insel mit all ihrer Pracht und der Einsamkeit wird mir fehlen, dachte sie wehmütig. Aber vielleicht würde sie eines Tages ja zurückkommen, nicht als Geisel, sondern als Besucherin. Ja, genau das würde sie tun. Sie würde die finanzielle Wiedergutmachung durch ihren Vater erreichen, selbst wenn sie ihn davor vor Gericht zerren musste, und im kommenden Frühjahr das Geld persönlich herbringen.
Begeistert von dieser Idee verschwand sie im Wald, eilte querfeldein zwischen dem mannshohen trockenen Riedgras hindurch, um den Weg zu dem Bach abzukürzen. Sie hörte den Bach rauschen, bevor sie das Röhricht auseinanderbog und das Gewässer sah. Eine dünne Eisschicht glitzerte auf den Steinen am Ufer. Überall in dem seichten Wasser lagen schimmernde Achate.
Deborah öffnete die Knöpfe an einem Handschuh und zog ihn aus. Dann raffte sie ihre Röcke und bückte sich, um einige der kleinen glatten Steine aus dem entsetzlich kalten Nass zu holen. Ihre Finger waren ganz taub, als sie den zehnten Stein herausgefischt hatte. Sie wusste, die Zeit war knapp, aber vielleicht bekam sie nie wieder so eine Chance. Die Ader der Halbedelsteine erstreckte sich bis zur Mitte des Baches. Sie streckte die Arme aus, um das Gleichgewicht besser halten zu können, und versuchte über die Steine zu balancieren, um in die Mitte zu gelangen.
Natürlich rutschte sie aus und stürzte. Mit ihren dünn besohlten Schuhen, über die Tom Silver sich gern mal lustig gemacht hatte, fand sie keinen Halt auf den vereisten Steinen, und landete mitten im Bachbett. Das eisige Wasser vertrieb alles – ihren Atem, ihre Gedanken, ihre Gefühle – aus ihrem Kopf, sodass sie noch nicht einmal aufschrie. So kalt war ihr.
Sie benötigte ihre ganze Energie, um sich aufzurappeln und ans Ufer zurückzukehren. Halb erfroren und benommen saß sie da, und es fiel ihr schwer nachzudenken. Hatte sie sich irgendwo den Kopf gestoßen? Wie ungeschickt von ihr. Sie wusste, sie hatte den Hohn und Spott, mit dem Tom und Lightning Jack auf der Überfahrt nicht geizen würden, verdient.
In dem Moment zerriss der Pfiff einer Bootspfeife die Luft. Deborah schaute nach unten auf ihren Rocksaum und sah, dass er bereits gefroren war. Ihre Zähne klapperten unkontrolliert, während sie sich die Steine in die Tasche steckte und sich abmühte, sich den Handschuh wieder über ihre steifen, gefühllosen Finger zu ziehen. Sie ging durch den Wald zurück zum Landesteg, und ihr war klar, sie sollte sich besser beeilen. Sie hatte schon genug Zeit verschwendet.
19. KAPITEL
D ieses verdammte Boot stinkt“, beschwerte Tom sich mürrisch, als sie ausliefen und an Rock Harbor vorbeifuhren. Er musste seine Stimme erheben, um sich über das laute
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