Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
bildete sich eine Falte zwischen ihren Brauen. Er kam sich albern vor, diese absurde Vermutung anzusprechen. Er betrachtete ihre schönen Augen, den Mund, den er nur einmal zu küssen gewagt hatte. In ihrem Kuss hatte keine Erfahrung gelegen, nur Erschrecken, Unsicherheit und Furcht. Und eine Weichheit und Süße, die er nie hatte vergessen können.
„Ja?“, sagte sie.
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als einfach zu fragen, ohne Umschweife. „Sind Sie in anderen Umständen?“
Deborah schnappte nach Luft, umklammerte die Tischkante, dass ihre Knöchel ganz weiß wurden. Dann stand sie auf. Sie sah aus, als hätte sie eine lebendige Kröte verschluckt. Ihre Augen waren weit aufgerissen und ihr Mund geöffnet. Die Übelkeit, die sie eben überfallen hatte, schien sich erneut zu regen. Dann änderte sich ihre Gesichtsfarbe wieder, dieses Mal zu einem dunklen Lilarot
„Was?“ Ihre Stimme klang gequält und war kaum wiederzuerkennen. Das eine Wort glich einem hohlem Krächzen, das ihrem viel zu hübschen ungläubig verzogenen Mund entwich.
„Es ist keine müßige Frage, daher spielen Sie jetzt nicht die Prüde. Ich muss es wissen. Sind Sie schwanger?“
Ihre Hände sanken an ihre Taille, zitterten auf ihrer Schürze. Sie bewegte sich auf die Tür zu, als wollte sie fliehen wie ein aufgescheuchtes wildes Tier. „Sch… schwan…?“ Es war nicht mehr als ein entsetztes Hauchen.
„Ich weiß, es verstößt vermutlich gegen Ihre innere Überzeugung, das Wort laut auszusprechen, aber wir stecken hier fest, daher muss ich wissen, womit ich es zu tun habe. Sind Sie es?“
Wie eine Blinde tastete sie sich zur Tür und hielt sich an der Klinke fest. Sie stand so reglos wie eine Eisstatue.
Sag Nein. Tom betete innerlich, dass es eine andere Erklärung für ihr Unwohlsein gab. Aber sie blieb stumm, ihr Gesicht ganz ausdruckslos und starr wie bei einem Soldaten nach der Schlacht.
„Und?“, hakte er nach. „Es ist eine ganz einfache Frage.“
Sag Nein. Er wartete mit angehaltenem Atem.
„Ich … ich weiß es nicht“, antwortete sie schließlich.
Grimmige Verwunderung erfasste ihn. Er biss die Zähne zusammen, um nicht laut zu fluchen. Sie hasste es, wenn er fluchte. Daher zwang er sich, sanft und leise mit ihr zu reden. „Es ist also eine Möglichkeit.“
Sie explodierte. Er hatte nie zuvor etwas Ähnliches erlebt. In dem einen Moment war sie steif wie ein Statue, stand an der Tür wie einer der Holzindianer, die oft vor Handelsposten aufgestellt waren, im nächsten schluchzte sie wie ein Häuflein Elend. Sie weinte mit der Wucht eines Hurrikans. Heftige, tief sitzende Schluchzer schüttelten sie am ganzen Körper, und sie bog sich unter ihnen wie ein Baum im Wind.
Tom Silver war mitten in der Hitze des Gefechts über Schlachtfelder gerannt. Er war vor wütenden Bärenmüttern davongelaufen, hatte Stürmen auf dem See getrotzt, einen tödlichen Blizzard überlebt und war meilenweit über unsicheres Eis gegangen. Aber während er Deborah Sinclair beobachtete, begriff er, dass er das entdeckt hatte, was am gefährlichsten war und ihm am meisten Angst einjagte – eine weinende Frau.
Er stand da und betrachtete sie, fühlte sich vollkommen hilflos. Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte, daher durchquerte er den Raum und stellte sich zu ihr, klopfte ihr unbeholfen auf die Schulter. Deborah zuckte erschrocken zurück, stolperte und wäre fast zu Boden gegangen. Er holte Luft und rang fieberhaft nach Worten. Aber es wollten ihm einfach nicht die passenden einfallen. Sie weinte, als ob ihr das Herz bräche, und es gab absolut gar nichts, was er dagegen tun konnte.
„Hören Sie auf“, bat er, aber sie hörte ihn nicht, so sehr weinte sie. Daher hob er die Stimme: „Aufhören. Bitte, um Himmels willen, hören Sie mit dem Geflenne auf.“
Der barsche Befehl schien ihr Elend zu durchdringen. Sie schniefte und sagte: „Ich kann nicht.“
„Sie haben es doch getan“, bemerkte er.
Das ließ sie erneut in Tränen ausbrechen, aber nicht so heftig wie eben noch. Jetzt ließ sie einfach den Kopf hängen und starrte zu Boden, während ihr Körper von Schluchzern geschüttelt wurde.
Er fand ein Handtuch und reichte es ihr. „Wischen Sie sich das Gesicht ab“, sagte er.
Sie nahm das Tuch aus seinen Händen und barg das Gesicht darin. Aber nach einer Weile betupfte sie sich die Wangen und die Nase, und die Schluchzer wichen einem leisen Schluckauf, wie ein Echo nach einem Sturm.
Tom wünschte sich,
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