Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
ledergebundene Wälzer, die Arthur Sinclair nie aufgeschlagen hatte. Die Kunstwerke an den dunkelgrünen Wänden zeigten Jagdszenen von Orten, zu denen er nie eingeladen werden würde. Und der Louis-XIV-Schreibtisch war übersät mit Dokumenten der Arbeit eines Mannes, der hoffte, sich durch Reichtum Zutritt zu der Welt der besseren Gesellschaft zu verschaffen und in ihr Anerkennung zu finden, denn nichts schien ihm erstrebenswerter zu sein.
Er verließ sich auf Deborah, von der er erwartete, dass sie ihm zu mehr Akzeptanz bei den Reichen und Mächtigen verhalf. Und das war genau der Grund, weshalb sie gekommen war und mit ihm reden musste.
Sie umarmte ihren Vater leicht, küsste ihn auf die Wange und machte einen Schritt zurück. Wie stets roch er nach Rasierwasser und Zigarren. Der Geruch weckte in ihr Erinnerungen und ein Gefühl von Sicherheit, das sie trotz allem immer mit ihrem Vater in Verbindung brachte. Ihr Herz zog sich schmerzlich vor Liebe zu ihm zusammen. Lieber Gott, ich will ihn wirklich nicht enttäuschen, dachte sie. Das wollte sie auf gar keinen Fall.
„Es tut mir leid, wenn ich dich störe“, sagte sie.
Er deutete auf den offenen Sack auf dem Boden, der mit Geldscheinen, Bankpapieren und Wertsachen vollgestopft war. „Ich suche gerade meine Sachen zusammen, vor allem die Versicherungszertifikate und andere wichtige Papiere, falls das Schlimmste eintritt.“
„Das Feuer meinst du.“
„Ja. Wenn sie den Brand nicht bald unter Kontrolle bringen, fahre ich zum Sommerhaus am See.“ Er verzog sein gut geschnittenes markantes Gesicht missbilligend, als er Deborah genauer betrachtete. „Was hast du denn da an? Wurde Dr. Moodys Lesung wegen des Feuers abgesagt?“
„Das weiß ich nicht“, erwiderte sie, verschränkte unruhig ihre Finger. Obwohl sie es gewohnt war, mit Dienern, Hausmädchen und Kutschern fertig zu werden, zweifelte sie an ihrer Fähigkeit, sich gegen ihren Vater zu behaupten, der dafür bekannt war, rücksichtslos gegen Eisenbahnmogule oder Bergbaubarone vorzugehen, um seinen Willen zu bekommen. „Ich habe beschlossen, heute Abend nicht daran teilzunehmen. Ich muss stattdessen unbedingt mit dir sprechen. Um dir zu sagen …“
„Dein Verlobter war schon hier, um mit mir zu reden“, unterbrach er sie.
Ihr Mund wurde trocken. Alles Blut schien aus ihren Händen zu weichen, sodass ihre Finger eiskalt und ganz taub wurden. „Philip war hier?“
Die Augen ihres Vaters wirkten so scharf und blau wie zerbrochenes Eis. „Früher am Abend. Daher denke ich, weiß ich schon, was du mir sagen willst.“
Gütiger Himmel, was hat Philip nur erzählt?
Galle stieg ihr in die Kehle, und sie konnte erst wieder sprechen, nachdem es ihr gelungen war, sie wieder herunterzuschlucken. „Was hat er dir gesagt?“
Arthur spreizte seine Hände. „Er hat mir berichtet, wie du dich gestern Abend in der Oper aufgeführt hast, Deborah. Ich schäme mich für dich. Wirklich, ich schäme mich zutiefst.“
Das hier war das Letzte, was sie erwartet hätte. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Philip sich bei ihrem Vater beschweren würde, ausgerechnet bei ihm. Sie starrte ihn an, dann fand sie ihre Stimme wieder. „Dich schämen? Meinetwegen? Was habe ich denn get…“
„Philip sagt, er sei bereit, über dein unerhörtes Verhalten hinwegzusehen, dem Himmel sei Dank“, erklärte Arthur. Er drehte ihr den Rücken zu und begann wieder, Schachteln mit Belegen und Zertifikaten aus dem Safe zu nehmen.
„ Mein Verhalten?“, fragte sie. Sie versuchte sich an ein Gefühl von Empörung zu klammern, aber trotz ihres Entschlusses, gesellte sich Scham dazu. Sie hatte keine Ahnung, was sie darauf erwidern sollte. Ihr ganzes Leben lang hatte sie immer nur die besten Gouvernanten des Landes gehabt, die besten Lehrer und Tutoren, die besten Gesellschafterinnen. Aber niemand hatte sie darauf vorbereitet, sich gegen ihren Vater zur Wehr zu setzen.
„Deine Unreife und Dummheit werden mich allerdings teuer zu stehen kommen“, schimpfte er. „Er will, dass ich deine Mitgift erhöhe. Und mir bleibt keine andere Wahl, als seine Forderung zu erfüllen.“
Sie rang sich ein bitteres ungläubiges Lachen ab. Philip Ascot IV. hatte letzte Nacht all ihre Träume vernichtet, und als Belohnung forderte er, dass der Brautpreis erhöht wurde, auf den er und ihr Vater sich geeinigt hatten. „Dann wird es dich freuen zu hören, dass du ihm keinen einzigen Cent wirst zahlen müssen“, meinte sie und bemühte sich
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