Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
ihr der ganze Körper, und ihr war übel, aber in ihrem Magen war nichts, das sie hätte von sich geben können. Der kleine Hund, den sie Smokey getauft hatte, sprang freudig um ihre Füße, doch sie hatte noch nicht einmal genug Kraft, ihm den Kopf zu tätscheln. Verräter, dachte sie.
Tom Silver stand im Ruderhaus, steuerte den Kutter durch den nahezu undurchdringlichen Nebel und ignorierte Deborahs Erscheinen. Lightning Jack kam aus der Kombüse, einen dicken Porzellanbecher in der Hand. „Tee“, sagte er und hielt ihn ihr hin. „Es ist Medizin und hilft gegen Mal de mer .“
Sie fühlte sich zu niedergeschlagen, um zu widersprechen, daher nahm sie einfach den Becher und legte ihre eisigen Finger darum, genoss die Wärme.
„Woher weiß er, wohin er in diesem Nebel fahren muss?“, fragte sie. Ihre Stimme klang in der dicken diesigen Luft merkwürdig fern.
„Er befolgt meine Anweisungen“, erklärte Lightning Jack. „Das hier ist mein Schiff.“ Mit einem Nicken deutete er auf die Wasseroberfläche. „Der Weg ist mit Bojen und Kanalmarkierungen gekennzeichnet. Keine Angst, Sie sind an Bord der Suzette sicher.“
Sicher. Sie wusste gar nicht mehr, was das Wort bedeutete.
Das Wasser sah erheblich ruhiger und flacher aus als … wann war es gewesen?
„Wie spät ist es?“
„Sie meinen wohl eher, welcher Tag heute ist, oder? Sie haben zwei Tage geschlafen.“
Beinahe hätte sie sich an ihrem Tee verschluckt. Schwindelig geworden ließ sie sich auf eine Bank sinken. Sie zwang sich, den Blick auf irgendetwas zu richten, irgendetwas, um nicht ohnmächtig zu werden. Sie starrte auf ihre Schuhe, deren ramponierter Zustand von den zurückliegenden Anstrengungen zeugte. Zwei Tage lang hatte sie in ihren Schuhen geschlafen.
Deborah musste an Kathleen denken, die ihr für gewöhnlich dabei half, ihre Schuhe anzuziehen – es war nahezu unvorstellbar für sie, dass sie irgendwann mal ein normales Leben gehabt hatte. Verzweifelt schloss sie die Augen.
In dem Tee musste eine wirksame Droge gewesen sein, denn alles begann sich um sie herum zu drehen, und dann wusste sie nichts mehr. Wie im Traum spürte sie, wie ihr der Becher abgenommen wurde. Kräftige Arme hoben sie hoch. Die Bewegung weckte sie jäh, eine Welle der Angst erfasste sie, und sie schrie vor Schreck auf.
„Seien Sie ruhig“, knurrte Tom Silver mit zusammengebissenen Zähnen. „Ich bringe Sie nur zurück in Ihre Koje.“
„Setzen Sie mich ab“, schrie sie, entsetzt von seiner Nähe, seinem Geruch nach See und Leder, der Art und Weise, wie er sie auf seinen kräftigen Armen trug.
„Gerne.“ Er ließ sie los, sodass sie fast die Luke hinunterfiel. „Schlafen Sie nur nicht wieder im Ruderhaus ein.“
Sie bebte am ganzen Körper, als sie in die enge Kabine zurückkehrte, und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür. Es ist anders, sagte sie sich, versuchte, ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen. Das hier war anders. Dieser Mann, dieser Tom Silver hasste sie. Sein Hass müsste verhindern, dass er sie anfasste. Sie wollte nicht, dass irgendjemand sie anfasste – nie wieder.
Ein paar Stunden – oder Tage – später wachte Deborah auf, geweckt von dem Rattern und Stampfen der Maschine des Kutters und Männerstimmen. Sie lag ganz still, versuchte so zu tun, als geschähe das alles in Wirklichkeit gar nicht. Sie weigerte sich, die Augen zu öffnen. Solange sie sie geschlossen hielt, konnte sie sich vormachen, sie läge in ihrem Bett mit der frischen irischen Leinenbettwäsche in ihrem Schlafzimmer in Miss Boylans Pensionat. In ein paar Minuten würde Kathleen mit einem Tablett mit Tee und Milch kommen, und sie würden Deborahs Pläne für den Tag besprechen.
Doch unweigerlich vertrieben der feuchte fischige Geruch des Bootes und Smokeys übel riechendes Fell die Fantasie. Erneut machte Deborah sich auf den Weg an Deck und in die Kombüse, wo sie auf Lightning Jack stieß, der auf einer Bank saß und eine Karte studierte.
Er bot ihr wieder Tee an.
„Nur Wasser, bitte. Ich traue Ihrem Tee nicht.“ Sie nahm ebenfalls auf der Bank Platz.
„Sie sollten dankbar für den Schlaf sein. Es ist eine lange und langweilige Reise.“
„Und was ist unser Ziel?“
„Das liegt an Ihrem Vater. Wenn er unsere Bedingungen erfüllt, werden wir Sie in Milwaukee in einen Zug setzen.“
Sie spürte einen Funken Hoffnung in sich. „Haben Sie ihm schon eine Botschaft geschickt?“
„Wir senden ihm aus Milwaukee ein Telegramm“, sagte
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