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Isola - Roman

Isola - Roman

Titel: Isola - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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weiter zurückweichen, ich stand mit dem Rücken an der Wand. Ich weiß nicht, was stärker war, meine Angst, Isola vor meinem achtzehnten Geburtstag verlassen zu müssen, oder diese Erregung, die in mir anschwoll, bis ich sie kaum noch ertragen konnte.
    Solo berührte mein Gesicht. Ganz leicht, nur mit der Kuppe seines Zeigefingers. Wieder lächelte er und dann wickelte er eine Strähne meines Haares um seine Fingerspitze und zog daran, bis sich mein Kopf nach unten bewegte, nur ein paar Zentimeter, dann hielt er inne. Wir waren fast Mund an Mund, ich konnte seinen Atem auf meiner Haut fühlen. Mein Herz raste und meine Blicke schwirrten umher auf der Suche nach den Kameras. Es war jenseits all meiner Vorstellungskraft, dass Tempelhoff uns in diesem Moment beobachtete, in diesem so unbeschreiblich intensiven Moment, aber dennoch, er musste uns sehen. Überall, hatte man uns gesagt, überall waren wir überwacht.
    Solos Mund kam mir so nah, dass nur noch ein hauchdünnes Blatt zwischen unsere Lippen gepasst hätte. Eine glühende Hitze stieg in mir auf, ich schluckte und irgendwie fand ich die Kraft, mit dem Kopf zu schütteln, ein verzweifeltes »Nicht« herauszupressen. Ich wollte nicht, dass Tempelhoff uns so sah, ich wollte nicht, dass er mich so sah. Ich kannte mich selbst nicht in diesem Moment, da war etwas Fremdes in mir, etwas, das mit aller Macht herauswollte – und Solo schien es zu spüren.
    »Komm zur Bucht vor unserem Haus, wenn Nacht ist«, wisperte er in mein Ohr. »Komm, wenn niemand in der Nähe ist. Ich werde versuchen, dort zu sein, ich werde auf dich warten … «
    »Vera?« Elfes Stimme drang durch die Tür. »Bist du da? Wir gehen zurück, es wird dunkel, hörst du?« Sie klang ängstlich. »Kannst du mich hören? Bist du noch da? Wir sind hier. Vera?«
    Solo stieß mich sanft zurück. »Geh«, flüsterte er. »Und nimm Mephisto mit. Ich möchte noch ein wenig allein sein.
    « Ich fasste Mephisto am Halsband und stolperte zur Tür, wo Elfe, Moon und Krys standen. »War jemand da?«, fragte Elfe.
    Ich schüttelte stumm mit dem Kopf. Elfe und Krys atmeten erleichtert auf, aber Moon warf mir einen seltsamen Blick zu.
    Dann liefen wir zurück zum Haus, mit schnellen Schritten, im Wettlauf mit der hereinbrechenden Dunkelheit.
    Der Schrei ertönte tief in der Nacht.
    Es war ein furchtbarer Schrei, und obwohl er aus der Ferne kam, ging er mir durch Mark und Bein. Wir waren am Strand. Lung hatte wieder ein Feuer gemacht und Elfe las uns gerade das Märchen von den wilden Schwänen vor, während Solo am Ufer stand und auf seiner Berimbau spielte. Er war erst spät gekommen, aus dem Schlafsaal der Jungen, und hatte unsere heimliche Begegnung in der Ruine mit keiner Geste kommentiert. Als der Schrei an unsere Ohren drang, kam er zu uns gelaufen. Elfe ließ ihr Buch fallen und krallte sich zu Tode erschrocken an meinen Arm. Wir stolperten los, alle gemeinsam, Richtung Haupthaus und starrten in den Wald, aus dem der Schrei gekommen war.
    Am Himmel stand der Mond, fast voll war er, doch im Wald würde es finster sein, stockfinster.
    »Scheiße«, zischte eine Stimme an mein Ohr, ich glaube, sie gehörte zu Alpha. »Scheiße, verdammt, wir haben kein Licht!«
    »Doch!« Das war Milkys Stimme. »Im Haupthaus stehen die Windlichter!«
    Lung und Alpha rannten mit Milky zum Haus. Minuten später kamen sie mit den Windlichtern zurück. Mephisto war bei ihnen, er hechelte stark. Wir zündeten die Lichter an und schlichen in den Wald. Ich hatte das Gefühl, regelrecht verschluckt zu werden, von einem riesigen, atmenden Tier. Da waren Geräusche, raschelnde, scharrende, wispernde Geräusche, in die sich Mephistos Hecheln mischte. Dem grauenhaften Schrei folgte kein weiterer menschlicher Laut. Die Stimmen des Waldes und unsere keuchende Atmung, das war alles, was uns umgab.
    Alpha ließ den Lichtstrahl an Baumstämmen emporwandern, zitternde helle Flecken, deren Schatten den Wald noch unheimlicher machten, ich hörte jemanden schluchzen, Elfe oder Krys, und Moon begann zu singen, mit ihrer hohen, fast gläsernen Stimme. Ich hatte plötzlich das Gefühl, mich nicht mehr bewegen zu können. Dann schrie Alpha und dann sahen wir Joker. Er fiel uns förmlich entgegen, mit dem Gesicht nach unten, als stürzte er aus einem der Bäume herab, und in der Luft blieb er hängen. Der schwache Schein von Alphas Windlicht schien Joker direkt ins Gesicht. Seine Züge waren zu einer grauenhaften Grimasse verzerrt, seine Augen waren

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