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Isola - Roman

Isola - Roman

Titel: Isola - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Haus. Ich blieb zurück, allein mit meinen Gedanken, Fragen und Zweifeln und mit der immer größer werdenden Unruhe in meinem Bauch.
    Heute weiß ich, dass mein größtes Problem gar nicht die Kameras waren – und auch nicht Solos Verhalten, das mir Rätsel aufgab. Ich war es. Ich selbst stand mir im Weg.
    Abends bekochte uns Milky, es gab wieder Reis, diesmal mit Zucchini, dazu gebratenes Huhn, und später, im Mondschein, stellte sich Darling an einen großen Baum im Garten und forderte Lung auf, sein Messer zu werfen. Er tat es, gut zehn Meter nahm er Abstand von dem Baum, kniff die Augen zu und zielte, die Spitze landete haarscharf neben Darlings Hals im Stamm. Sie zog das Messer heraus und ließ die Klinge zwischen ihre Brüste gleiten, dann trat sie auf Lung zu und stellte sich in Pose, aber Lung streckte nur seine Hand aus, bis Darling ihm das Messer zurückgab.
    Ich lag in Elfes Hängematte, im Hintergrund hörte ich Milky Conga spielen und Elfe lachen. Solo war gerade in den Garten getreten, mit seiner Berimbau über den Schultern. Er sah zu Lung, dann zu Darling, die ihn anlächelte und ihm eine Kusshand zuwarf. Solo machte eine Geste, es war eine schnelle, ruckartige Bewegung, als ob er statt Darlings Luftkuss ein hässliches Insekt aus der Luft gegriffen hätte. Dann vergrub er die Faust in der Hosentasche und schlenderte an uns vorbei zum Strand, bis ihn die Dunkelheit verschluckte. Geh ihm nach, drängte eine leise, lächerlich schwache Stimme in meinem Inneren. Aber der Boden hielt mich fest wie ein mächtiger Magnet.
    Nachts weckte mich wieder Elfes Schnarchen, und als ich barfuß ins Haupthaus schlich, um mir etwas zu trinken zu holen, hörte ich in der Kissenecke Geräusche, ein leises Keuchen und ein unterdrücktes Stöhnen. Durch das große Glasfenster schien der Mond und im fahlen Licht sah ich Darling – mit Alpha.
    Am nächsten Morgen war Lung verschwunden. Mittags ertönte das Nebelhorn und am Nachmittag setzte ein warmer Regen ein.
    Ich hatte mir Elfes Märchenbuch geliehen und mich damit in die Kissenecke im Haupthaus verzogen. Aus den Seiten rieselte der Sand und das Buch dellte sich leicht, es war in der Nacht von Jokers blödem Streich am Strand liegen geblieben und feucht geworden. Moon saß mir mit ausgestreckten Beinen gegenüber und lutschte an einer sternförmigen Frucht. Ihre nackten Zehen berührten meine Oberschenkel, wie kleine Kieselsteine fühlten sie sich an, glatt, rund und auf eine ganz sonderbare Weise tröstlich. Ich las Hänsel und Gretel, Däumelinchen, der Teufel mit den drei goldenen Haaren und das Märchen von Dornröschen. Als ich an die Stelle kam, an der der König zur Geburt seiner Tochter ein Fest gab und dazu auch die zwölf weisen Frauen einlud, damit sie dem Kind hold und gewogen wären, dachte ich an uns, an uns zwölf, wie wir im Boot gesessen und auf die Insel gefahren waren, und ich hatte plötzlich die Empfindung, als wären nicht Tage, sondern Wochen oder Monate vergangen. So kommt es mir im Rückblick auch heute noch vor. Die Zeit auf Isola war eine andere – es war die längste Zeit meines Lebens.
    Wir waren zu acht.
    Elfe, Moon, Darling, Joker, Alpha, Milky, Solo und ich.
    Solo und ich. Solo – und ich.
    Komm zur Bucht, wenn Nacht ist …
    Es war die Erinnerung an seinen suchenden Blick in der Nacht von Pearls Verschwinden, sein erleichtertes Aufatmen, als er mich in der Gruppe entdeckte, die sich wie eine Flamme in meinem Kopf entzündete und mir die plötzliche Gewissheit gab, dass er nicht der Mörder sein konnte.
    Zum Teufel mit Tempelhoff! Zum Teufel mit den Kameras! Und zum Teufel mit meinen ewigen Fragen, meinem ständigen Zögern! Ich konnte nicht mehr.
    Tief in der Nacht, als Elfe und Moon in ihren Betten lagen und schliefen, zog ich ein Strandkleid aus meiner Truhe und ging zur Bucht. Der Regen hatte aufgehört, aber die Luft war noch immer warm und von den Wellen her kam ein leichter, nach Salz riechender Wind. Sterne sah ich nicht, nur der Mond stand am Himmel, hoch über dem Meer wie ein silberner Scheinwerfer. Ich setzte mich ans Ufer, lauschte den leisen, schwappenden Geräuschen der Wellen und krallte meine Finger in den nassen Sand.
    Ob er draußen geblieben und auf mich gewartet hatte oder mir hierhergefolgt war, konnte ich später nicht mehr sagen. Aber plötzlich tauchte er auf, hinter mir und lautlos wie ein Schatten. Er trug Shorts und zog mich, so wie ich war, an der Hand ins Meer. Die kühlen Wellen umspielten meine nackten

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