Isola - Roman
wahnsinnig gewesen?
Nein. Das ist die Antwort, die kommt. Ich hatte getan, was mein Gefühl mir diktiert hatte. Auch nicht die Sorge, dass ich noch nie ein Boot gesteuert hatte, geschweige denn bei Nacht auf offenem Meer, hatte mich zurückhalten können. Vielleicht ist das so, in solchen Momenten. Die Vernunft setzt aus, ein anderer Teil übernimmt und diesem Teil folgte ich. Ein leichter Wind wehte über das Meer und ich legte den Weg zur Insel problemlos zurück. Mephisto saß zu meinen Füßen. Sein Schwanz schlug alle paar Sekunden auf dem Boden des Bootes auf, rhythmische Töne, die sich in das tuckernde Motorengeräusch mischten und mir das Gefühl gaben, nicht alleine zu sein.
Ich war um die Insel herumgefahren und legte am Strand vor den Unterkünften an. Ich zog das Boot an Land und schlich mit klopfendem Herzen durch das Dickicht der Palmen zu unserer Unterkunft. Alles war dunkel, aber am Himmel schien der noch immer fast volle Mond und bot eine natürliche Lichtquelle. Aber im Wald würde es dunkel sein. Und durch den Wald würde ich gehen müssen, wenn ich zur Höhle wollte – denn die Höhle war von Anfang an mein Ziel gewesen.
Im Haupthaus fand ich zwei Windlichter, mit denen ich mich auf den Weg machte. Jedes noch so kleine Geräusch ließ mich aufschrecken und plötzlich war der Wald voller knackender, raschelnder, wispernder Laute und die Bäume schienen mit ihren tief hängenden Ästen nach mir zu greifen, als wollten sie, dass ich zu einem Teil von ihnen würde. Ich versuchte, mich auf Mephistos Hecheln zu konzentrieren, seine leisen Schritte, die zu wissen schienen, wo es langging, und alle paar Meter blieb ich stehen, bückte mich zu Solos schwarzem Labrador herab und vergrub meine Nase in seinem weichen Fell. Die Luft war feucht und der Wind, der durch die Wipfel der Bäume strich, roch wieder nach Regen. Ganze Armeen von Moskitos waren im Wald unterwegs und dieses Mal war ich ihr Opfer. Sie stachen mir die Arme blutig und ihre gierigen, sirrenden Geräusche schmerzten mir in den Ohren und verbohrten sich in meinen Nerven. Als ich bei den Felsen ankam, war ich schweißgebadet. Schwer atmend stand ich vor dem Höhleneingang und kratzte mir die aufgestochenen Arme. Mephisto winselte und zog den Schwanz ein, als teilte er meine Angst, die Öffnung in den Felsen zu betreten. Aber dann lief er vor und ich folgte ihm. Mit jedem Schritt, den ich machte, sank mein Mut. Mein Körper fühlte sich immer schwerer und mein Kopf immer schwereloser an, was ein groteskes Ungleichgewicht erzeugte, als wäre ich unten aus Blei und oben aus Gas. Ich schrie leise auf, als über meinem Kopf ein flatterndes Geräusch ertönte und im nächsten Moment ein kleiner Vogel an mir vorbei dem Ausgang entgegenstob. Kehr um, schrie mein Verstand, kehr um, kehr um, kehr um. Aber ich ging weiter, Schritt für Schritt für Schritt.
In der Höhle war Licht.
Solo kauerte vor der Vertiefung in der Felswand, wo wir neben der Blutlache den Fetzen von Darlings Kleid gefunden hatten. Die Stelle, an der es geschehen war. Mephisto stürmte auf ihn zu, sein Bellen hallte von den Höhlenwänden wieder. Als Solo aufsprang, erstarrte ich und aus meinem Körper wich alle Kraft. Die Windlichter fielen mir aus den Händen, zerbrachen splitternd auf dem Steinboden und erloschen, sodass nur noch die Stelle, an der Solo stand, beleuchtet war. Ich wollte etwas sagen, aber ich brachte keinen Laut hervor und plötzlich kroch die kalte Angst umso heftiger in mir empor. War ich in eine Falle gelaufen? War das der Preis für meine Unvernunft?
Solo machte einen Schritt auf mich zu, aber das verstärkte meine Panik nur noch. Ich wollte zurückweichen, doch ich konnte mich nicht bewegen. Kalt, eiskalt wurde mir.
Solo hatte seine Hände gehoben, jetzt ließ er sie sinken und auch sein Körper schien zusammenzusacken. Er machte ein paar Schritte zurück, lehnte sich an die Felswand und starrte zu Boden.
»Was habe ich getan?«, fragte er. Dann hob er wie in Zeitlupe den Kopf, sah mich an und schrie die Frage noch einmal aus sich heraus, mit derselben Wildheit, die ich auch in anderen Momenten in ihm gespürt hatte. »Was habe ich nur getan?«
»Ich weiß es nicht«, hörte ich mich flüstern.
Mephisto sah verwirrt zwischen uns beiden hin und her, bellte wieder und leckte Solos Hand.
»An was kannst du dich denn erinnern?«, brachte ich nach einer Ewigkeit heraus.
Solo schüttelte nur mit dem Kopf. Seine Schultern bebten. Er kam mir so schmal
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