Ist das Kafka?: 99 Fundstücke (German Edition)
Sie nur schon, gehn Sie. Hier hilft kein Bitten. Ich bin nicht berechtigt, Gnaden auszuteilen. Sie wollen jede Arbeit leisten. Gewiss. Das will jeder. Das ist keine besondere Auszeichnung. Es zeigt nur, wie tief Sie sich einschätzen. Und nun sage ich zum letzten Mal: Gehn Sie, und halten Sie mich nicht länger auf. Es ist wahrhaftig genug.« Banz musste mit der Hand auf den Tisch schlagen, ehe der Mann sich vom Diener aus dem Direktionszimmer hinausziehn ließ.
Ein in Kafkas Werk sehr häufiges Motiv ist die Demütigung machtloser Figuren durch scheinbar allmächtige Gegenspieler. Insbesondere in seinen drei Romanen hat er diese Konstellation vielfach variiert; sie findet sich aber auch in den von ihm selbst veröffentlichten Erzählungen, etwa in Das Urteil und Die Verwandlung .
Dieses und das folgende Fundstück bieten Beispiele dafür, dass Kafka auch in weniger bekannten fragmentarischen Texten solche demütigenden Konfrontationen immer wieder durchgespielt hat. Da sie hier in keinen größeren erzählerischen Zusammenhang eingebettet sind, beobachtet der Leser gleichsam durch ein Vergrößerungsglas die Anwendung reiner Macht – einer Macht, die sich ihrer selbst völlig sicher ist und die sich daher auch Zynismus erlauben kann.
Die Ansprache des Direktors an den lästigen Stellenbewerber findet sich in Kafkas Tagebuch unter dem Datum des 30. Juli 1914 – zwei Tage vor Beginn des Ersten Weltkriegs.
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In den Direktionskanzleien (II)
Gestern war ich zum erstenmal in den Direktionskanzleien. Unsere Nachtschicht hat mich zum Vertrauensmann gewählt und da die Konstruktion und Füllung unserer Lampen unzulänglich ist, sollte ich dort auf die Abschaffung dieser Missstände dringen. Man zeigte mir das zuständige Bureau, ich klopfte an und trat ein. Ein zarter junger Mann, sehr bleich, lächelte mir von seinem grossen Schreibtisch entgegen. Viel, überviel nickte er mit dem Kopf. Ich wusste nicht ob ich mich setzen sollte, es war dort zwar ein Sessel bereit, aber ich dachte, bei meinem ersten Besuch müsse ich mich vielleicht nicht gleich setzen, und so erzählte ich die Geschichte stehend. Gerade durch diese Bescheidenheit verursachte ich aber dem jungen Mann offenbar Schwierigkeiten, denn er musste das Gesicht zu mir herum und aufwärts drehn, falls er nicht seinen Sessel umstellen wollte und das wollte er nicht. Andererseits aber brachte er auch den Hals trotz aller Bereitwilligkeit nicht ganz herum und blickte deshalb während meiner Erzählung auf halbem Wege schief zur Zimmerdecke hinauf, ich unwillkürlich ihm nach. Als ich fertig war stand er langsam auf, klopfte mir auf die Schultern, sagte: So, so – so so, und schob mich in das Nebenzimmer, wo ein Herr mit wildwachsendem grossen Bart uns offenbar erwartet hatte, denn auf seinem Tisch war keine Spur irgendeiner Arbeit zu sehn, dagegen führte eine offene Glastür zu einem kleinen Gärtchen mit Blumen und Sträuchern in Fülle. Eine kleine Information aus paar Worten bestehend, vom jungen Mann ihm zugeflüstert genügt dem Herrn um unsere vielfachen Beschwerden zu erfassen. Sofort stand er auf und sagte: Also mein lieber – er stockte, ich glaubte, er wolle meinen Namen wissen und ich machte deshalb schon den Mund auf, um mich neuerlich vorzustellen, aber er fuhr mir dazwischen: Ja, ja, es ist gut, es ist gut, ich kenne Dich sehr genau – also Deine oder Euere Bitte ist gewiss berechtigt, ich und die Herren von der Direktion sind die letzten, die das nicht einsehen würden. Das Wohl der Leute, glaube mir, liegt uns mehr am Herzen als das Wohl des Werkes. Warum auch nicht? Das Werk kann aber wieder neu errichtet werden, es kostet nur Geld, zum Teufel mit dem Geld, geht aber ein Mensch zugrunde, so geht eben ein Mensch zugrunde, es bleibt die Witwe, die Kinder. Ach Du liebe Güte! Darum ist also jeder Vorschlag neue Sicherung, neue Erleichterung, neue Bequemlichkeit und Luxuriositäten einzuführen, uns hochwillkommen. Wer damit kommt, ist unser Mann. Du lässt uns also Deine Anregungen hier, wir werden sie genau prüfen, sollte noch irgendeine kleine blendende Neuigkeit angeheftet werden können, werden wir sie gewiss nicht unterschlagen und bis alles fertig ist, bekommt Ihr die neuen Lampen. Das aber sage Deinen Leuten unten: Solange wir nicht aus Euerem Stollen einen Salon gemacht haben, werden wir hier nicht ruhn und wenn Ihr nicht schliesslich in Lackstiefeln umkommt, dann überhaupt nicht. Und damit schön empfohlen!
Das titellose
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