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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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Richtung eines Beweises. Er konnte zeigen, dass jede hinreichend große gerade Zahl die Summe zweier Zahlen ist, von denen die eine eine Primzahl, die andere aber durch höchstens zwei Primfaktoren definiert ist. Ende 2005 hatte der portugiesische Forscher Tomás Oliveira e Silva gezeigt, dass die Vermutung für Zahlen bis 3 × 10 17 gilt (dreihundert Billiarden). Den heroischen Bemühungen zahlreicher talentierter Mathematiker zum Trotz steht aber noch jetzt, da ich dies schreibe, ein endgültiger Beweis aus. Selbst der zusätzliche Ansporn durch einen vom 20. März 2000 bis zum 20. März 2002 ausgelobten Preis von 1 Million Dollar (als Werbegag für einen Roman mit dem Titel
Onkel Petros und die Goldbach’sehe Vermutung)
brachte nicht den gewünschten Erfolg. Hier allerdings haben wir die Crux mit dem Begriff «objektive Wahrheit» in der Mathematik: Angenommen, im Jahr 2016 wird ein schlüssiger Beweis aufgestellt. Könnten wir dann sagen, die Aussage sei schon wahr gewesen, als Descartes erstmals über das Problem nachgedacht hat? Die meisten Menschen wären sich einig, dass diese Frage töricht ist. Wenn eine Aussage bewiesenermaßen wahr ist, dann ist sie
immer
schon wahr gewesen, auch als wir noch nicht wussten, dass sie wahr ist. Oder lassen Sie uns ein anderes unschuldig wirkendes Beispiel anschauen, es trägt den Namen
Catalan’sche Vermutung.
Die Zahlen 8 und 9 sind aufeinanderfolgende ganze Zahlen, und beide lassen sich als Potenzen ausdrücken: 8 = 2 3 und 9 = 3 2 . Im Jahr 1844 vermutete der belgische Mathematiker Eugène Charles Catalan (1814–1894), dass (0 und 1ausgeschlossen) unter allen möglichen Potenzen ganzer Zahlen die beiden Zahlen 8 und 9 das einzige direkt aufeinanderfolgende Paar von echten Potenzen bildet. Mit anderen Worten: Sie können Ihr Leben damit zubringen, alle möglichen Potenzen von ganzen Zahlen niederzuschreiben, aber außer 8 und 9 werden Sie keine zwei weiteren Zahlen finden, die nur um 1 differieren. Im Jahr 1342 hatte der französische Philosoph und Mathematiker Levi ben Gerson (1288–1344) tatsächlich einen kleinen Teil dieser Vermutung bewiesen: dass nämlich 8 und 9 die beiden einzigen Potenzen von 2 und 3 sind, die sich nur um 1 unterscheiden. Ein weiterer wichtiger Schritt wurde von dem Mathematiker Robert Tijdeman im Jahr 1976 getan. Doch immerhin hatte der Beweis für die allgemeine Formulierung der Catalan’schen Vermutung die besten mathematischen Köpfe mehr als 150 Jahre lang beschäftigt. Am 18. April 2002 legte der rumänische Mathematiker Preda Mihailescu schließlich einen vollständigen Beweis für diese Vermutung vor. Seine Arbeit wurde 2004 veröffentlicht und ist inzwischen komplett akzeptiert. Wieder werden Sie vielleicht fragen: Ab wann war die Catalan’sche Vermutung wahr? Im Jahr 1342? Oder 1844? Vielleicht 1976? Im Jahr 2002 oder erst 2004? Liegt es nicht auf der Hand, dass die Aussage immer wahr gewesen ist und wir es nur nicht gewusst haben? Das sind Wahrheiten von der Art, die die Platoniker als «objektive Wahrheiten» bezeichnen würden.
    Manche Mathematiker, Philosophen, Kognitionswissenschaftler und andere «Mathematikanwender» (Computerwissenschaftler zum Beispiel) erachten die platonische Welt als ein der Fantasie weltfremder, verträumter Geister entsprungenes Hirngespinst (ich werde auf diesen Standpunkt und einige andere im Verlauf des Buches noch zurückkommen). Ja, im Jahre 1940 äußerte der berühmte Mathematikhistoriker Eric Temple Bell tatsächlich folgende Prophezeiung:
    Den Propheten zufolge wird der letzte Anhänger des platonischen Ideals in der Mathematik es bis zum Jahr 2000 den Dinosauriern nachgetan haben. Ihres mythischen Gewandes der ewigen Gültigkeit entkleidet, wird die Mathematik endlich gesehen werden als das, was sie immer war, eine konstruierte menschliche Sprache, von menschlichenWesen zu bestimmten, von ihnen selbst formulierten Zwecken erdacht. Der letzte Tempel einer überkommenen Wahrheit wird verschwunden sein, zusammen mit dem Nichts, das er als Heiligstes in seinem Inneren barg.
    Bells Prophezeiung hat sich als falsch erwiesen. Zwar haben sich Lehrmeinungen entwickelt, die dem Platonismus diametral entgegengesetzt sind (allerdings in beiderlei Richtung), doch haben diese es nicht vermocht, den Geist (und die Herzen!) aller Mathematiker und Philosophen zu erobern, die über diese Frage heute so uneins sind wie eh und je.
    Angenommen jedoch, der Platonismus hätte den Sieg

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