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Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Küchentür:
    »Hallo, ist jemand zu Hause?« Ich höre schlurfende Schritte, und eine Frau von etwa dreißig Jahren, die ich noch nie gesehen habe, kommt aus der Küche und sieht uns überrascht an. Mit ihren Beinen stimmt etwas nicht. Sie hebt sie beim Gehen nicht an.
    »Wohnt der Leif noch hier?«
    »Ja, der wohnt noch hier.«
    »Ich heiße Audun Sletten. Ich habe vor ein paar Jahren mal einen Sommer hier verbracht, und jetzt dachte ich, wir könnten mal vorbeischauen und Hallo sagen.«
    »Tja, ich weiß nicht, er schläft bestimmt noch.«
    Wunderbar, denke ich, wir fahren wieder, aber da kommt seine Stimme aus der Stube.
    »Wer ist das, Ingrid?«
    »Ein junger Kerl, der Audun heißt. Er wollte mal vorbeischauen, sagt er.«
    »Audun? Audun ist da, sagst du? Jesses, ich komme sofort!«Wir können hören, dass in der Stube rangiert wird, er stöhnt, als koste es ihn viel Kraft, dann rollt er in die Küche. Er sieht aus wie immer, die Haare stehen ab und sind ganz kurz geschnitten mit vielen grauen Partien über einem Gesicht, das ich nie vergessen werde, weil es sich selbst genügt wie eine Büste, die ich ein paar Mal gesehen habe, und er hat einen Oberkörper wie ein Felsblock. Nur seine Beine sind dünner geworden, es sieht nicht so aus, als könnte er damit noch laufen. Seine Beine haben ihm auch früher schon Ärger gemacht, aber auf den Rollstuhl war ich nicht vorbereitet. Ich gehe auf ihn zu und gebe ihm die Hand, und er hält meine mit beiden Händen fest.
    »Da ist er ja tatsächlich, unser Audun. Ist schon ein Weilchen her, oder?«
    »Sommer fünfundsechzig.«
    »Und jetzt haben wir siebzig, das macht über fünf Jahre. Teufel, was bist du groß geworden. Kräftig auch, wie ich sehe, Jesses. Du hast einen Kameraden dabei, einen langhaarigen Pavian?« Er lacht ein gutmütiges Lachen, Arvid grinst, kommt herüber und gibt ihm die Hand.
    »Arvid Jansen. Ich passe auf Audun auf.«
    »So so, ist das immer noch nötig? Tja, das haben wir wohl damals für einige Zeit übernommen. Scherz beiseite, Audun konnte verdammt gut auf sich selbst aufpassen, da gibt’s gar nichts. Aber hierher kam er mit ’nem weißen Po, so war das, und willkommen war er, so viel ist sicher. Schuften konnte er wie ein Großer, auch wenn er ein kleiner Knirps war.«
    »Mit weißem Po?«, flüstert Arvid.
    »Pst«, sage ich. »Und Signe, ist sie auch da?«
    Leif holt tief Luft und sagt:
    »Sie ist ausgezogen. Wohnt irgendwo in Trøndelag, keineAhnung.« Er schlägt mit den Händen auf den Rollstuhl. »Und hier sitze ich. Ja ja, wird schon schiefgehen, wird schon schiefgehen. Ingrid hilft drinnen und Bjørn draußen. So geht’s schon.«
    Aber ich kann nicht sehen, wie das hier gehen soll, außer vielleicht den Bach runter. Es muss etwas passiert sein, und danach kann ich nicht fragen. Signe mit dem großen Busen, dem breiten Lächeln, Signe mit den weichen Händen, wie sie die Treppe hinauf in den ersten Stock geht, wo ich im letzten Sommer ein paar Nächte mit Gelbfieber lag und nicht schlafen konnte, ihre Kinder waren vor langer Zeit ausgezogen, ich hatte das ganze Zimmer für mich allein. Das weiße Nachthemd in dem grauen Licht des kleinen Fensterchens, die weiße Signe mit den sanften Worten, die gute Signe. Aber ich kann nicht fragen. Ich habe einmal eine Karte geschickt, aber keine Antwort erhalten.
    »Sie ist irgendwie krank geworden, verstehst du, ja ja, reden wir nicht mehr davon. Teufel, ist das schön, dich wiederzusehen, Audun. Wie geht es deiner Mutter drinnen in der Stadt?«
    »Viel besser«, sage ich. »Verdammt viel besser.«
    Er sieht mich mit seinen blauen Augen an. »Das glaub ich gern, ja, das glaub ich gern.« Er streicht sich über das Kinn, und die Bartstoppeln knistern, wir können es alle hören, er räuspert sich und holt aus:
    »Dein Vater war übrigens vor etwa einem Monat hier. Eigenartig, dass du ausgerechnet jetzt kommst. Er wollte sich auf den Weg machen, hat er gesagt. Er hat sein Akkordeon hiergelassen, es war ihm zu schwer. Er hatte wohl eine weite Strecke vor sich. Ich könnte es behalten, es war ihm scheißegal, wenn du den Ausdruck entschuldigst. Dort steht es.« Er zeigt in eine Ecke in der großen Küche. Das ganze Gerümpelist noch da, ich erkenne vieles wieder, und ich erkenne den abgewetzten braunen Koffer sofort. Ich gehe darauf zu und öffne ihn, und dort liegt es, schwarz und weiß mit rotgestreiftem Balg der Marke Paolo Soprani. Ich bücke mich und lasse die Finger über die Tasten gleiten,

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