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Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Telefonbuch tanzen, ich würde ihn mir trotzdem anschauen.« Sie lächelt. Es gefällt ihr, dass ich mit ihr hier sitze. Normalerweise sitze ich in meinem Zimmer und höre Platten oder lese, wenn ich nicht draußen bin, und sie sitzt in der Stube und sieht fern oder hört Opern. Stellt sie die Musik laut, drehe ich meine ebenfalls auf. Ich lehne mich zurück und nehme einen Schluck. Ich habe noch nie in meinem Leben Whisky getrunken. Er schmeckt nicht, aber er wärmt die Beine von unten. Ich zittere leicht. Daran könnte ich mich gewöhnen, denke ich, und dann sehe ich mir den Film an. Er ist total sinnlos, aber Ginger Rogers ist schön. Sie sieht pfiffig aus, viel pfiffiger als die schwachsinnige Rolle, die sie spielt. Das Glas wird leer. Es geht mir jetzt gut, das Zittern hat aufgehört. Vorsichtig nehme ich die Flasche und schenke noch einmal nach, sie starrt nur auf den Film. Ich kann es genauso gut jetzt sagen, denke ich.
    »Ich schmeiße die Schule hin«, sage ich.
    »Was?« Widerwillig dreht sie sich vom Fernseher weg.
    »Ich schmeiße die Schule.«
    »Auf keinen Fall.«
    »Da gibt’s nichts zu diskutieren. Ich habe mich entschieden.« Ich nehme einen großen Schluck aus dem Glas, diesmal mit weniger Wasser, ich schlucke, und das Zeug verteilt sich im Körper. Ich mag das, ich könnte jetzt schlafen, denke ich, und Fred Astaire singt, Ginger Rogers sieht ihn an und lächelt, sie kriegen sich ja doch. Das ist schön, das ist richtig schön.
    Ich reiße mich zusammen.
    »Wir haben nicht viel Geld, stimmt’s«, sage ich, »aber die Zeitungen und die Schule zusammen sind mir zuviel. Wenn ich anfange zu arbeiten und vollen Lohn kriege, geht es uns viel besser.«
    »Verstehst du denn nicht, ich kriege Geld, damit du auf die Schule gehen kannst.«
    »Was für Geld?«
    »Ein Stipendium vom Staat. Für begabte Jugendliche aus schwierigen Familienverhältnissen. Oder so ähnlich. Ich weiß nicht mehr genau, wie es heißt.« Sie errötet.
    »Ich fass es nicht! Und das hast du mir nie gesagt! Warum hast du nichts davon gesagt?«
    »Das ist meine Sache«, sagt sie und starrt auf den Fernseher, wo der Abspann über den Bildschirm läuft. Sie hat das Ende nicht mitgekriegt.
    »Ist auch egal, wie es heißt«, sage ich, »ich schmeiße sowieso hin, ich habe auf dem Gymnasium nichts verloren. Ich bin nicht wie die anderen.«
    »Was für ein Quatsch! Welche anderen? Arvid, dein bester Freund, geht doch auch in deine Klasse. Ist er jetzt plötzlich anders als du?«
    »Klar ist er anders. Willst du wissen, wie ich bin? Willst du wissen, wie ich wirklich bin?« Ich stehe auf, die Stube schwankt, ich halte mich am Tisch fest und schließe die Augen.
    »He, Audun, bist du betrunken? Wie viel hast du denn in dich hineingekippt?« Sie nimmt die Flasche in die Hand und sieht sich den Inhalt an. Meine Schnäpse müssen ziemlich üppig gewesen sein, in der Flasche ist nicht mehr viel drin.
    »Scheißegal«, sage ich, lasse den Tisch los und gehe in mein Zimmer. Ich stolpere über die Türschwelle und falleaufs Knie, aber das ist völlig in Ordnung, dort hinunter wollte ich ohnehin. Ich ziehe den Koffer mit dem Akkordeon unter dem Bett hervor und mache ihn auf, und da liegt es vor mir: schwarz und weiß mit roten Streifen auf dem Balg. Der Marke Paolo Soprani. Ich nehme es hoch, streife die Riemen über die Arme, löse oben und unten den Verschluss und gehe zurück in die Stube.
    »Hier kannst du hören, wie ich bin«, sage ich und ziehe den Balg auseinander und drücke gleichzeitig auf die Tasten und die Knöpfe. Das Instrument gibt jaulend einen falschen Akkord von sich, der den ganzen Raum erfüllt. Ich ziehe und drücke wieder, und meine Mutter hält sich die Ohren zu und ruft:
    »Audun, was ist das? Wo hast du das her? Antworte mir!«
    »Ich habe dickes Blut«, brülle ich und lache. »Willst du einen Tango hören? Ho, ho! Hier kommt ein Tango!« Ich ziehe und drücke und stampfe mit dem Fuß, dass die ganze Wohnung bebt, dass die Gläser auf dem Tisch klirren und die Gläser im Schrank, und plötzlich fällt das Bild von Jussi Björling von der Wand und zerbricht. Ich höre auf zu spielen, und meine Mutter rennt zu dem Bild und hebt es auf, und da sehe ich, dass auf der Rückseite ein Backrezept steht und daneben ein Brot abgebildet ist. Das Foto wurde aus einer Illustrierten ausgeschnitten, das Autogramm ist aufgedruckt. Und ich fange so heftig an zu lachen, dass ich mich fast nicht mehr auf den Beinen halten kann.

III.

11
    F

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