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Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
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da, Arme und Beine bewegten sich nicht, kein Windstoß fuhr in die schwarzen Haare, und es war nicht zu erkennen, ob er atmete. Ich war fast sicher, dass er tot war. Ich wusste nicht, was tun. Ich konnte nicht anklopfen, konnte nicht nach Gardermoen fahren, um Bescheid zu sagen, denn eigentlich war ich gar nicht hier. Eine Zeitlang stand ich ganz still, und ich glaube nicht, dass ich an etwas dachte. Dann ging ich in die Hocke, sein Gesicht war braungebrannt und schmal, mit Furchen auf beiden Wangen, so hatte ich es immer gesehen, und die schwarzen Haare hingen über der Stirn. Manche hielten ihn für einen feschen Burschen, aber ich fand, dass er meistens schrecklich aussah, wenn auch nicht im Moment, denn seine eisblauen Augen waren geschlossen, und die Stirn war glatt. Ich streckte den Arm aus und berührte ihn am Revers, spürte den groben Stoff an den Fingerspitzen, und da passierte es. Er warf sich herum, packte mich am Handgelenk und brüllte ein Wort, das ich nicht verstand.
    » MARANA !«, brüllte er, und ich warf mich zur Seite. Ich zog die Hand zurück, aber es war zu spät. Er hielt sie so fest, dass seine Fingerknöchel weiß wurden, und um seine Finger herum wurde auch mein Arm ganz weiß. Die Flasche fiel herunter, ich hörte es gluckern, und etwas lief über die Platten, während ich mit aller Kraft versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien. Das, was da herausfloss, roch stark und unangenehm, und dann fiel ich rückwärts um, hinein in die Flüssigkeit. Ich spürte, wie es klebte, und ich bekam Angst, ein eiskaltes Gefühl in meinem Bauch, ich war eine Schildkröte auf dem Rücken, mein Hintern zog sich zusammen, und ich schrie:
    » LASS MICH LOS LASS MICH LOS LASS MICH LOS !«Ich schwang die Füße in die Luft, holte aus der Hüfte Schwung und rammte ihm mit aller Kraft die Hacken in den Arm. Er stöhnte auf und ließ los, und ich kam auf die Beine und stolperte zu dem kaputten Tor, und als ich mich umdrehte, stand Kari am Fenster im ersten Stock. Sie trug einen Morgenmantel, hob den Arm, und ihr Blick begegnete meinem hinter der Sonnenbrille. Ich blieb stehen, wollte auf etwas zeigen, ihr etwas sagen, und dann rief ich stattdessen:
    » KARI !« Aber es war sinnlos. Mein Vater lag jetzt auf dem Rücken, die Arme zur Seite gestreckt, in den blauen Augen blitzte es, und ich drehte mich um und rannte die Straße hinunter bis zum Bahnhof.

12
    I ch rannte, und die Sonne kam durch, während ich rannte, und die Wolken zogen sich zurück. All das Graue wurde grün und gelb und plötzlich heiß, und ich schwitzte am Rücken, unter den Armen im Pullover, im Schritt und um die Augen, wo die Sonnenbrille saß. Sie scheuerte, und ich dachte, jetzt setze ich sie ab. Aber ich hatte keine Lust, mich der Sonne zu stellen, hatte keine Lust, stehenzubleiben, ich rannte einfach weiter und dachte, dass es besser war zu rennen, dass ich gern rannte, dass ich dann alles klarer sah und dass das, was hinter mir war, dann hinter mir blieb.
    Ich wollte nicht stehenbleiben, und doch musste ich es bald, denn ich war jetzt an allen Feldern entlanggelaufen, vorbei an der Kreuzung mit dem Bethaus, in dem ich noch nie gewesen war, den Weg hinunter in die Straßen zwischen den Häusern, wo die Leute aus den Türen traten, stehenblieben und mir nachschauten. Vor mir sah ich den Bahnhof, und auf dem Bahnsteig standen Leute, die zum Arbeiten nach Oslo hineinfuhren. Ich rannte mitten durch die Menge, wollte nicht um sie herum, das dauerte zu lange, und es interessierte mich nicht, wen ich anrempelte. Ein Mann schrie hinter mir her, aber ich blieb nicht stehen, um zu hören, was er sagte oder wer er war, seine Worte blieben in der Luft hinter mir hängen, bevor sie auf die Erde fielen, und ich rannte weiter an den Gleisen entlang, bis mich keiner mehr sehen konnte, und hinein ins Gebüsch zu meinemPapphaus. Es war noch da, und ich verstand nicht, warum ich gefürchtet hatte, es könnte weg sein.
    Ich packte meine Sachen zusammen. Nahm meine Taschenlampe und die Bücher, stopfte die Liegeunterlage und die Kleider in den Rucksack und rollte den Schlafsack zu einer harten Wurst zusammen, bevor ich ihn unter dem Deckel des Rucksacks festschnürte und das Ganze ein paar Meter wegtrug. In einer Seitentasche fand ich Streichhölzer, eine dieser großen Streichholzschachteln mit rotem Filz darauf und glänzendem Glitterkram, wie Kinder sie im Kindergarten basteln, um ihren Eltern eine Freude zu machen. Ich hatte sie selbst gebastelt, und

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