Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten

verändern, brauchst du Zeit und Engagement, Achtsamkeit und Disziplin, vor allem aber Mut und Willen. Das klingt nicht nach gern zitierten Psychologenweisheiten: Sei du selbst. Du bist nicht auf der Welt, um anderer Leute Bedürfnisse zu befriedigen, einschließlich denen deines Partners usw.
    Diese Sätze haben durchaus einen Sinn: Everybody’sdarlingsein, ein gesichtsloser Mann (oder Frau) ohne Eigenschaften, der aufpasst, nicht aufzufallen, anzuecken, bloß stromlinienförmig konform geht, ist nicht die Alternative zu einem Partner, der nicht bereit ist, sein Verhalten zu verändern. Der nicht bereit ist, zu wachsen und zu reifen.
    Aber Veränderung tut weh. Verlangt etwas. Meistens eine Aufgabe. Es ist interessant, in diesem Zusammenhang das Wort Aufgabe zu benutzen. Es gibt dir etwas auf, und es verlangt von dir, etwas aufzugeben.
    Nehmen wir ein Beispiel: Angelo ist Discjockey. Wenn er Platten auflegt, nimmt er Drogen. Speed, Kokain vor allem. Das hält ihn wach über die Nacht bis zum nächsten Mittag. Ein harter Job. Wenn er nicht auflegt, sondern seiner normalen Arbeit nachgeht, trinkt er am Feierabend Bier. Jeden Abend. Er kommt von der Arbeit nach Hause und, schwupps, ist die erste Dose offen. Seine Frau ist zu mir in Therapie gekommen, weil sie »frigide« geworden sei, wie sie sagte. Wenn er sich ihr sexuell näherte, krampfte sich in ihrem Bauch alles zusammen und ihre Scheide wurde trocken. Im Laufe der Arbeit allerdings wurde deutlich, dass sie sich vor ihm ekelte, wenn er eine Bierfahne und glasige Augen hatte und zu irgendwelchen gemeinsamen Aktivitäten nicht mehr in der Lage war.
    Ich hatte den Eindruck, dass es sich nicht um das Problem der »Frigidität« handelte, sondern um eine Paarproblematik. Als ich vorschlug, dass Angelo mitkommen sollte, war er
sofort bereit. Ein sympathischer Mann erschien, warmherzig und interessiert an seiner Frau und an der Beziehung. Er war erschrocken und verletzt, als Dörte ihm sagte, dass sie ihn nicht mehr attraktiv finde. Dass sie kein sexuelles Verlangen nach ihm empfinde, dass er sich körperlich verändert hätte, schwammig geworden sei, irgendwie aufgedunsen, und dass sein abendliches Angeschickertsein, wenn er zu keinem richtigen Gespräch mehr in der Lage ist, irgendwie nur dumpf und immer gleich, sie langweile. Es kostete sie sehr viel Mut, es ihm zu sagen. Sich selbst als »frigide« therapieren zu lassen war ihr leichter gefallen. Sie liebte ihn ja. Sie wollte ihn nicht verletzen.
    Diese Verletzung allerdings war das größte Geschenk, das sie ihm machen konnte. Er wachte nämlich auf. Er war noch nicht so furchtbar abhängig von dem ganzen Zeug, dass er es nicht lassen konnte. Er konnte noch ohne Betäubung leben. Aber es fiel ihm schwer. Er begann Sport zu treiben, legte einen alkoholfreien Monat ein und setzte sich mit seinem Kokainkonsum auseinander. Ihm wurde bewusst, dass es in seinem Leben einiges gab, das ihm überhaupt nicht gefiel und das er nicht hatte fühlen wollen. Jetzt, unbetäubt und klar, stand er vor der Notwendigkeit, einiges in seinem Leben zu verändern.
    Die Formel lautet: Unzufriedenheit + Idee + erste Schritte + nötiger Aufwand = Veränderung. Diese Formel gilt für alles, auch für Beziehungen. Und du kannst dich darauf verlassen, dass es zu keinen Veränderungen kommt, wenn nicht alle Einzelkomponenten umgesetzt werden. Allerdings ist es nicht sinnvoll, bei der Auflösung der Unzufriedenheit die Schritte vom Partner zu erwarten, weil das mit einem Gefühl von Ohnmacht und Abhängigkeit verbunden ist.
    Leider ist es auch heute noch in vielen Beziehungen so, dass die Frauen die Veränderungsaufgabe übernehmen. Maria hat alles Mögliche versucht, um aus ihrer Verunsicherung als Frau herauszukommen, wieder Vertrauen zu Ralf zu entwickeln,
ohne von ihm etwas zu verlangen. Es endete mit einem anderen Mann. Dörte hat alles Mögliche versucht, um sich mit Angelos Drogenkonsum zu arrangieren. Es endete mit »Frigidität«. Sie haben allerdings nicht wirklich etwas Neues versucht, sie sind auf der alten Schiene, in der alten Rolle geblieben: Sie haben ihren Partner geschont und sich selbst verleugnet.
    Am Beispiel von Franz und Andrea möchte ich einmal ausführlich beschreiben, wie es Schritt für Schritt anders geht. Vielleicht findest du deine Problematik in einigem wieder, vielleicht auch nicht. Doch selbst dann kannst du anhand dieses Paares leichter nachvollziehen, wie du mit den Fragen der Reihe nach arbeiten kannst.
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