Istanbul: Ein historischer Stadtführer
Schatzkammer aufbewahrt. Buchmaler haben Abbildungen von den Bibliotheken Süleymâns I. und Murâds III. im Bereich ihrer Privatkabinette hinterlassen. Eine Anekdote enthält einen Hinweis darauf, dass auch die christlichen Reliquien, die Mehmed II. verehrt haben soll (sein Nachfolger Bâyezîd II. betrieb später einen schwunghaften Handel mit ihnen), hier gelagert wurden:
Eines Tages nutzte der (Gelehrte und erste Bibliothekar des Serails) Molla Lüftfî einen Steinblock, um ein Buch zu erreichen, das auf einem hohen Bord lag. Der Sultan wurde darüber äußerst ungehalten, handelte es sich doch um die wahre Krippe Christi.
In einem etwas späteren Inventar der Serailreliquien taucht tatsächlich die «Krippe» auf, als «der Stein, auf dem unser Herr Christus geboren wurde und für den die Venezianer dem Alttürken (d. i. Mehmed II.) 30.000 Dukaten boten, worauf der Großherr antwortete, er würde ihn auch nicht für 100.000 weggeben». Ein Verzeichnis, das unter Selîm I. (1512–1520) angelegt wurde, spricht summarisch von 149 «Büchern der Ungläubigen» in der Serailbibliothek. Wir wissen mit Sicherheit, dass sich darunter eine Anzahl griechischer und lateinischer Klassiker befanden. Die Eroberungen des iranischen Täbris und des mamlukischen Kairo durch Selîm I. bereicherten die Bibliothek um berühmte Manuskripte, die oft ihrerseits Beutestücke aus Feldzügen waren.
Die Bibliothek Ahmed III. im dritten Hof des Topkapı Sarayı (Grundsteinlegung 1719) ist vermutlich der einzige unter zahlreichen Bibliotheksbauten des 18. Jahrhunderts, auf den auch der unvorbereitete Besucher Istanbuls aufmerksam wird. Ihre Entstehung wird von dem Zeitgenossen Silihdâr Fındıklılı Mehmed Ağa unter den Ereignissen des Jahres 1719 behandelt:
Der Padischah hatte den Wunsch, innerhalb des kaiserlichen Serails einen kunstvollen Bibliotheksbau aus Stein aufzuführen, um den wissenschaftlichen Neigungen der Bewohner des Inneren Palastes entgegenzukommen und die in der Schatzkammer der Privatgemächer und im Harem befindlichen kostbaren Bücher aufzubewahren.
Dazu musste ein aus der Zeit Selîms II. stammender Marmorkiosk mit Wasserbecken abgerissen werden. Bei der Grundsteinlegung bediente sich Ahmed III. übrigens desselben goldenen Spatens, den schon sein Urgroßvater Ahmed I. verwendet hatte, als er den Bau seiner Moschee am Hippodrom begann. Für die Marmorverkleidung des Baus verwertete man wahrscheinlich Reste des abgebrochenen Kiosks, während die schönen İznik-Fliesen aus dem 16. Jahrhundert im Inneren von dem
Yalı
Kara Mustafâ Paschas am Bosporus stammen. Heute werden die in Jahrhunderten zusammengetragenen Bücherschätze in der ehemaligen Moschee der Eunuchen (Ağalar Camii) im dritten Serail-Hof aufbewahrt.
Druckereien
Bis zur Einführung der lateinischen Lettern durch die kemalistische Republik (1928) war der genau 200 Jahre zuvor durch İbrâhîm Müteferrika eingeführte Typendruck mit arabischen Lettern ein mühsames Geschäft. Die Setzkästen hatten mindestens 400 Abteilungen, weil die arabische Schrift nicht nur viele feste Buchstabenverbindungen zulässt, sondern auch einen großen Teil davon vorschreibt. Das oberste rechte Fach war für das «Allerhöchste Wort», den Namen Gottes (Allâh), reserviert. Ältere Setzer konnten ihren Beruf nur mit Hilfe eines Lehrlings ausüben, dem sie ununterbrochen die Namen der Buchstaben bzw. Buchstabenverbindungen mit lauter Stimme zuriefen.
Im Gegensatz zur Lithographie, welche die Vorlage des Kalligraphen getreulich wiedergab, konnte der Typendruck am Anfang nur wenige arabische Schriftdukten einigermaßen andeuten. Wenn man nicht auf importierte Bleisätze angewiesen bleiben wollte, musste man sich als Verleger in Istanbul nach Schriftgießern umsehen. Dafür kamen vor allem armenische Meister in Frage. Schließlich waren Armenier seit dem 16. Jahrhundert mit dem Buchdruck befasst und auch in anderen Zweigen der Metallurgie erfahren. Die Typen der ersten 24 Bücher, die aus der Druckerei des osmanischen «Gutenberg» Müteferrika hervorgingen, sollen allerdings von einem Juden namens Jonah ben Jakon Aşekenazi stammen, wenn es sich nicht doch um einen Armenier namens Araboğlu Astvadzadur Tıbir gehandelt hat. Gesichert ist, dass ein Araboğlu die Buchstaben für die erste nichtamtliche türkische Zeitung, den
Tercümân-i Ahvâl
, geschaffen hat. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelten die armenischen Meister für ihre muslimischen Auftraggeber
Weitere Kostenlose Bücher