Istanbul: Ein historischer Stadtführer
Serail» in der Stadtmitte (auf dem heutigen Universitätsgelände) diente bis 1826 als Wohnsitz des erweiterten Harems. Es war länger strittig, ob sich erst Süleymân I. entschloss, den Harem in seinem Hauptpalast aufzunehmen. Wahrscheinlich hat aber von Anfang an ein privater Teil mit Frauenwohnungen im Neuen Palast bestanden.
Mit dem Bezug von Dolmabahçe (1856) verlor auch das «Neue Serail» seine Funktion als Residenz, behielt aber seinen sakralen Rang als Ort, in dem die Reichsreliquien aufbewahrt wurden. Die Serailgärten wurden schon nach 1908 als Ausdruck der Volksnähe des Jungtürkischen Regimes für die Bevölkerung geöffnet. Allerdings hatte die Bahntrasse schon Jahrzehnte zuvor die Anlagen auf der Marmara-Seite vom Meer abgeschnitten.
Die osmanischen Sultane bewohnten das Serail nicht ohne Unterbrechung. Mehrere Herrscher des 17. Jahrhunderts zogen die fünf bis acht Tagereisen entfernte Nebenresidenz Edirne ganz oder zeitweise vor. Im Sommer standen mehrere Uferpaläste zur Verfügung, die sich zum Teil in Sichtweite des Serails (Kavaksarayı) befanden. In den Sommerpalästen mochten die Sultane ein weniger rigoroses Zeremoniell geschätzt haben. Ein diesbezügliches Selbstzeugnis stammt von Ahmed III. (1703–1730), der sich über das Leben im Topkapı Sarayı beklagte:
Wenn ich in meine Appartements hinaufgehe, paradieren vierzig Pagen der Inneren Gemächer. Wenn ich meine Hosen anziehe, empfinde ich das als wenig angenehm. Der Waffenmeister (
silihdâr
) sei deshalb angewiesen, sie (aus diesen Diensten) zu entlassen und nur noch drei oder vier zu behalten, damit ich in meinem kleinen Appartement ungestört bin.
Plan 5: Hypothetische Rekonstruktion des Topkapı Sarayı im 19. Jahrhundert
A Erster Hof
B Zweiter Hof mit Divan- und Eingang zum Haremskomplex
C Dritter Hof mit Schatzkammer, Reliquienkammer und Bibliothek Ahmed III.
D Terrassenhof mit Bağdad und Revan Köşkü
1. Erstes Tor (Bâb-ı Hümâyûn) neben der Hagia Sophia
2. Achteckiger Turm
3. Stalltor (Ahır Kapı)
4. Tor des Kalten Brunnens
5. Zwölfeckiger Turm mit Alay Köşkü
6. Achteckiger Turm für die Kaiserliche Musikkapelle
7. Eisernes Tor
8. Ehemaliges Schlafgebäude der Novizen
9. Stelle des Holzlagers und der Werkstatt der Mattenflechter
10. Irenen-Kirche bzw. Rüstkammer
11. Lagerhallen, Münze, Werkstätten
12. Verbindungstor zum Çinili Köşk
13. Ehemaliger Turm
14. Stalltor
15. Krankenstube der Pagen und Wäscherei
16. Verbindungstor zum äußeren Garten
17. Hofbäckerei
18. Wasserturm
19. Wasserwerk
20. Tor zwischen erstem Hof und Küchentrakt
21. Zweites oder Mittleres Tor (Bâbüsselâm)
22. Drittes Tor oder Tor der Glückseligkeit (Bâbüssaâde) und dahinterliegender Arz Odası
23. Tor vom Privatgarten des Sultans zu den äußeren Gärten
24. Tor
25. Tor
26. Gothensäule
27. Stelle eines Sommerpalastes aus dem 18./19. Jh.
28. İshâk Pascha Pavillons (15. Jh.?)
29. Windmühle. Bostancıs, Moschee der Bostancıs
30. Windmühlentor
31. Perlen-Kiosk (İncili Köşk) und Heilige Quelle (Ayazma)
32. Meydân («Platz»)
33. Gülhâne Köşkü
34. Gülhâne Tor
35. Antike Zisterne als Arsenal genutzt
36. Menagerie
37. Byzantinische Zisterne, später als Vogelhaus genutzt
38. Fischstation
39. Museum für Altorientalische Kunst, ehemalige Kunsthochschule
40. Archäologisches Museum
41. Çinili Köşk
42. Eingang zum Harem
43. «Hängende Gärten»
44. Ehemaliges Yalı Köşkü
45. Sepetçiler Köşkü (heute Pressezentrum)
46. Bootshäuser
47. Schlafhaus der Gärtner, im 19. Jahrhundert durch eine Medizinschule ersetzt, Moschee
48. Kanonentor (Topkapı)
49. Marmorkiosk
So eindrucksvoll der riesige Palastkomplex mit seinen drei aufeinanderfolgenden Höfen, dem Haremsbereich, Gärten und Gartenpavillons, Wirtschaftsbezirken, Spitälern und Stallungen auch ist – es soll nicht übersehen werden, dass in der Glanzzeit der osmanischen Hauptstadt Dutzende von ähnlich angelegten Palästen, wenn auch in verkleinertem Maßstab, existierten. Die Serails einiger Großwesire, vor allem wenn sie als oberste Sultansdiener eine Tochter ihres Herrn geehelicht hatten, des Agas der Janitscharen oder anderer Hochgestellter waren durchaus ansehnlich. Gleichwohl, das Topkapı Sarayı war unstrittig «ein den Repräsentationsaufgaben und den Alltagsfunktionen der Hofhaltung durchaus gemäßes Gehäuse, das trotz des Fehlens architektonischer Akzente in seiner reichen Innenausstattung
Weitere Kostenlose Bücher