Istanbul: Ein historischer Stadtführer
Janitscharengrabsteine mit charakteristischer Kopfbedeckung («börk» aus Filz, r.: 1745/46; l.: 1770/71)
Der Name eines gewissen Ulubatlı Hasan ist jedem türkischen Kind vertraut, weil die Schulgeschichtsbücher von seiner Rolle beim Sturm der Stadtmauer am 29. Mai 1453 berichten. Hasan durchbrach mit den Janitscharen die Lücke des «Kanonentors» (Topkapı) und verlor sein Leben im Stein- und Pfeilhagel der Verteidiger. Eine große Tafel am Topkapı, die zum fünfhundertjährigen Jubiläum der Eroberung angebracht wurde, erinnert daran. Man kann sich denken, dass der berühmte Janitschare eine beliebte Begleitfigur für die Denkmäler abgibt, die man in Istanbul fürMehmed II. errichtet hat (vor allem vor dem Rathaus von Fatih und in Bayrampaşa).
Wer im modernen Istanbul nach Überresten der Janitscharen fragt, wird voraussichtlich zum Militärmuseum (Askerî Müze) im Stadtteil Harbiye geschickt. Dort kann man auch die Konzerte der Janitscharen-Kapelle (
mehter
) regelmäßig hören. In den Museumsräumen finden sich einige Erinnerungen, unter anderem die letzten erhaltenen Grabstelen von Janitscharen mit ihren typischen Filzhauben, deren langer «Ärmel» den Nacken der Soldaten vor Säbelhieben schützte. Ansonsten muss man auf die Gegend der ehemaligen Hauptquartiere verweisen.
Die erste Janitscharenkaserne lag erwartungsgemäß nicht weit vom «Alten Serail», ungefähr zwischen dem heutigen Universitätsgelände und der «Prinzenmoschee» (Şehzâde Camii). Als im 16. Jahrhundert neue Unterkünfte in Aksaray (Yeni Odalar) gebaut wurden, nannte man die erste Kaserne «Alte Regimenter» (Eski Odalar). Hier verblieben 26 Abteilungen, die neue nahm die übrigen 173 auf. Der Niedergang des Korps wurde schon im 17. Jahrhundert von Koçu Bey, dem Verfasser einer an Sultan İbrâhîm gerichteten Denkschrift, beklagt. Er kritisierte die Aufblähung des Apparats und den Verfall des traditionellen Rekrutierungssystems:
Seit dem oben erwähnten Zeitpunkt (ca. 1620/21) werden die unterschiedlichsten Elemente aufgenommen, von denen man weder weiß, zu welcher Nation noch zu welcher Religion sie gehören: Junge Leute aus der Stadt (Istanbul), Türken (d.h. bäuerliche Anatolier), Zigeuner, Tataren, Kurden, Fremde, Jörüken (d.h. nomadisierende Türken), Esel- und Kameltreiber, Lastträger, unangenehme Figuren und Wegelagerer.
Als sich Mahmûd II. im Jahr 1826 der reformunfähigen Janitscharen entledigte, um eine moderne Armee aufzubauen, wurden beide Standorte zerstört. Die Eski Odalar wurden niedergerissen, die Yeni Odalar abgebrannt. Bei der vorausgehenden Belagerung und Beschießung der Kasernen zeichnete sich der Artillerieoffizier der Regierungstruppen mit dem bemerkenswerten Beinamen «Schwarze Hölle» (Karacehennem) besonders aus. Nur noch der Mittelpunkt der Yeni Odalar ist im Stadtplan auffindbar: Hier lag die berühmte Orta Camii. Ihre Nachfolgerin (vom Beginn des 20. Jahrhunderts) findet man in der Öksüzler Sokağı der İskender Paşa Mahallesi (zwischen den beiden großen Ausfallstraßen zum Topkapı und Edirnekapı).
Nach der Zerstörung der Kasernen wurden die weißen Flecken im Stadtgebiet allmählich wieder mit Wohnhäusern, Läden und Gemüsegärtenaufgefüllt. Die Grundstücke wurden zum Teil der Stiftung Sultan Ahmed I. zugeschlagen, weil die Ereignisse von 1826 nach Entfaltung der Heiligen Standarte, die vom Serail in die Sultan Ahmed-Moschee gebracht worden war, zu einem glücklichen Ende geführt hatten.
Der Scheichülislam und sein Amtsgebäude
Das Gelände bei der Süleymaniye war ursprünglich als Ağa Kapısı der Wohnsitz des Kommandanten der Janitscharen. Nach ihrer Vernichtung wies Mahmûd II. das Gelände den Scheichülislamen als
Fetvâhâne
(«Haus der Rechtsgutachten») zu (1827). Bis dahin hatte der Scheichülislam seine Amtsgeschäfte in verschiedenen privaten
Konaks
versehen. Das Amt des Scheichülislam wurde mit der Abschaffung des Kalifats im Jahr 1924 aufgehoben: Die Republik schuf in Ankara ein Präsidium für Religionsangelegenheiten, womit das Scheichülislamat in Istanbul auf den Rang eines gewöhnlichen
Müfti
-Amts, wie es in jeder Provinz existiert, herabgestuft wurde. Der Gebäudekomplex des alten Scheichülislamats liegt neben dem Grabmal Sinâns unterhalb des Süleymaniye-Hofs. Der Torbau birgt auch die Bibliothek und das Archiv der Vorgängerinstitution. Zur Straßenseite blickt ein Giebel mit dem «Großen osmanischen Staatswappen» (1891). Das
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