Istanbul: Ein historischer Stadtführer
inne. Ayvânsarâyî, der die Anlage sehr ausführlich gewürdigt hat, soll an dieser Stelle noch kurz zu Wort kommen:
Die gesegnete Moschee ist mit einer Sultansloge ausgestattet. Ursprünglich hatte sie nur ein Tor. Über ihm steht (in arabischer Sprache) das vom Scheichülislam Efzal-Zâde Seyyid Hamîdeddîn Efendi verfasste Chronogramm
Zur Zeit der Herrschaft von Sultan
Bâyezîd, dem Siegreichen und Erhabenen,
Hat sein frommer und wohltätiger Diener
Mustafâ, voller Heldentugenden,
Diese Moschee Gott zu Lieben gebaut,
Frei von Ruhmsucht und Doppelsinn.
Er wählte als Chronogramm
«Auf strenger Frömmigkeit gegründete Moschee» 895
Yûsuf Sinân Efendi schildert eindrucksvoll, wie über dem «Leben und Treiben» der Derwische von Koca Mustafâ Pascha die großherrliche Gnadensonne von Sultan Bâyezîd II. leuchtete (in der Nacherzählung von H. J. Kißling):
Sultan Bâyezîd II., dessen Derwischfreundlichkeit ihm den Beinamen «der Heilige» eingetragen hatte, erschien sehr häufig im Kloster, von Wesiren, besonders Koca Mustafâ Pascha, und auch orthodoxen Geistlichen begleitet, und beteiligte sich mit solcher Inbrunst an den religiösen Riten, daß es sogar den daran gewöhnten Derwischen zuviel wurde, die (…) nach dem Besuch des Sultans stets wie tot in den Zellen lagen, weil der Herrscher so eifrig den Übungen huldigte und sie selbst sich doch nicht von ihm übertreffen lassen wollten. (…) Der Ruf des Klosters war so bedeutend, daß man im Volke sagte, wenn Hızır, der Generalheilige der Sufis, einmal nach Istanbul kommen sollte, so gäbe es für ihn als standesgemäße Aufenthalte nur die Aya Sofya oder das Halvetîye-Kloster des Koca Mustafâ Pascha.
Später erweiterte der Defterdâr Etmekçi-Zâde Ahmed Pascha (gest. 1618) die Moschee an ihrer rechten Seite um das Doppelte und baute ein Tor und die Tribüne. Aus diesem Grund steht das Minarett der Moschee in der Mitte. Zur Moschee gehören eine Medrese, eine Derwischerie mit 40 Zellen, ein freistehender Brunnen, eine Schule und ein Speisehaus (
imâret
). Ursprünglich gab es eine kleine Tribüne in der Halle, die der Moschee vorgelagert ist.
Die heutigen Besucher streben zur Türbe des Sünbül Efendi, zweifellos einem der wichtigsten Heiligen im heiligen Istanbul. Sünbül Efendi («Monsieur Hyazinthe») ist der Beiname des aus Nordanatolien stammenden Yûsuf Sinân (ca. 1475/80–1529). Er wurde in Istanbul Schüler des Scheichülislâm Efzal-Zâde (von dem die schon genannte Inschrift der Moschee stammt). Ausschlaggebend war seine Verbindung mit dem als Çelebi Halîfe bekannten Scheich Mehmed Cemâleddîn, der in Istanbul das erste Halvetî Tekyesi, eben in Koca Mustafa Pascha, gegründet hatte. Sünbül Sinân war ein hochangesehener Prediger an der Moschee des Fâtih und in der Aya Sofya. Als die Moschee Sultan Selîms I. eingeweiht wurde, leitete er den ersten Freitagsgottesdienst. In der Türbe kann man den schwarzen Turban mit dem langen
Taylasân
genannten «Turbanschwänzchen» betrachten.
In der goldenen Zeit der Sünbülîye-Bruderschaft wurden allein in Istanbul 11
Tekyes
gegründet. Die Sünbülîye konnte sich darüber hinaus weit nach Rumelien und Anatolien ausdehnen. Was unterschied die Sünbülîye, die einen Zweig am Ast der Halvetîye bildet, die sich in zahllose Untergliederungen auflöste, von anderen Bruderschaften? Wie der Halvetîye insgesamt war ihr die
Halve
, d.h. die mystische Klausur, und die Einführung in die sogenannten «Sieben Namen» zentrales Anliegen. Ihre rituellen Übungen bestanden aus Körperdrehungen. In Koca Mustafâ Paşa wurde Musik bevorzugt gepflegt.
Ein baugeschichtliches Detail verrät, dass es eine Zeit gab, in der die Beziehungen zwischen dem Scheich von Koca Mustafa Pascha und dem Sultan nicht immer reibungslos waren. Sultan Selîm I. begann Teile des Konvents für Neubauten im Topkapı-Serail abzureißen, wogegen sich Sünbül Efendi heftig und erfolgreich wehrte. Wahrscheinlich handelt es sich um Bauteile für den Marmorkiosk am Rande der Palastgärten.
Eine zweifellos aus dem 16. Jahrhundert stammende Türbe im Hof der Anlage trägt keine Inschrift. Man glaubt, sie sei für Safiye Hatun, die Tochter des Paschas, errichtet worden. Das Rıza Pascha-Mausoleum neben der des Sünbül Sinân heißt nach einem Generalstabschef der hamidischenZeit. Er wurde nach der Lektüre einer Abhandlung über Sünbül Efendi zu seinem Verehrer und bemühte sich um die Renovierung der Türbe des
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