Istanbul: Ein historischer Stadtführer
(wie im eben genannten Museum für Divan-Literatur). Bei den Osmanen entstand sogar eine eigenständige Literaturgattung, die
tâc-nâme
, welche sich ausschließlich mit den Kostümen der «organisierten Mystiker» beschäftigte. Ein Abdülkâdir Sırrî, der Patron der Kâdirîya, erklärte beispielsweise die drei Buchstaben, aus denen das Wort
Tâc
zusammengesetzt ist, mit folgenden Worten:
Das T steht für Vollständigkeit (
tamâm
), das ELİF (=A, ein senkrechtes Zeichen) für Geradheit, das C für die göttliche Schönheit und Güte (
cemâl
). Das bedeutet, der
Tâc
-Träger soll den (mystischen) Pfad gerade gehen, sich darauf vervollkommnen und sich der Schönheit und Güte Gottes erfreuen, d.h., er soll sanftmütig und nicht aufbrausend sein.
Die bei der Herstellung der Mütze entstehenden Nähte erzeugen Zwickel
(terk)
in unterschiedlicher Zahl. Im zitierten Text deutet der Meister die 12
Terk
der Kâdiriye:
Dass der
Tâc
aus 12 Zwickeln besteht, ist ein Hinweis darauf, dass der
Tâc-
Träger die zwölf tadelnswerten menschlichen Eigenschaften ablegen und statt ihrer je eine entsprechende engelhafte Eigenschaft anlegen soll.
Durch Größe und Form besonders ins Auge fallend ist die
Sikke
der Mevlevî. Die «tanzenden Derwische» tragen bis zu 50 cm große fingerhutförmige Hauben, die man im Gegensatz zu allen anderen Bruderschaften nicht
Tâc
, sondern
Sikke
nennt. Friedhöfe der Mevlevî wie in Galata und Yenikapı kann man auf Grund dieser Besonderheit an den Grabstelen leicht erkennen.
Kocamustafapaşa
Zu den hier «Mutterklöster» genannten «großen» Konventen zählt der Komplex von Koca Mustafâ Pascha im gleichnamigen Altstadtquartier zwischen Samatya, Yedikule, Fındıkzade und Cerrahpaşa. Es ist ein prominenter innerstädtischer Wallfahrtsort, besuchenswert, gerade weil er abseits der touristischen Attraktionen liegt. Mustafâ Pascha, der Stifter der gleichnamigen Moschee, brachte es über Provinzstatthalterschaften und das «Generalgouvernat» von Rumelien bis zum Großwesirat unter Selîm I. (1511). Ayvânsarâyî gibt am Ende seiner Beschreibung der Baugruppe eine Kurzbiographie des Stifters, die den rasanten Aufstieg und das tragische Ende des Paschas erklären soll. Für die Entwicklung des Stiftungskomplexes als Zentrum einer Bruderschaft war die Tatsache entscheidend, dass der Scheich Sünbül Efendi hier seinen Konvent einrichtete.
Koca Mustafâ Pascha war fränkischer Abstammung. Während der Herrschaft von Bâyezîd Hân (1481–1512) diente er als Page im kaiserlichen Serail. Er zeigte große Begabung als Barbier und wurde deshalb … mit der «Hinrichtung» des Bruders des eben genannten Sultans beauftragt. Dieser Cem Sultan wollte das Sultanat usurpieren. (Mustafâ) schloss sich einer europäischen Gesandtschaft in der (mazedonischen) Stadt Drama an. Da er die fränkische Sprache beherrschte, wurde er binnen kurzem mit dem Amt eines Chefbarbiers betraut. Er rasierte den unglücklichen Prinzen mit einem vergiftetenMesser und flüchtete in die Hauptstadt und erstattete dem Padischah Bericht. Kurz danach erreichten die Pforte die Nachrichten vom Tode des erwähnten (Cem) Sultan. Der Leichnam des genannten Prinzen wurde im Jahre 1482–83 zum Grabmal Sultan Murâds II. in Bursa gebracht. Der genannte (Mustafâ Pascha) wurde dafür mit der Großprovinz (
eyâlet
) von Rumelien belehnt.
Der Zusammenhang des Paschas mit dem in päpstlicher Geiselhaft 1495, nicht etwa durch ein Rasiermesser in Mazedonien gestorbenen Bruder Bâyezîd II., Cem Sultan, lässt sich, ganz abgesehen von dem falschen Todesdatum, nicht belegen.
Plan 12: Lageplan von Kocamustafapaşa. A = Şeyh Seyyid Mehmed Nûreddin; B = Şeyh Hasan Adlî; C = Yakûb Efendi; D = Sünbül Sinân Efendi; E = Rıza Pascha; F = Verdorrte Zypresse mit Çifte Sultanlar; G = angebliche Türbe der Safiye Sultan
Als im Jahre 1512 eine Janitscharenrebellion zur Absetzung von Hersekzâde Ahmed Pascha führte, wurde er an seiner Stelle Großwesir. Ein Jahr später, beim Auftreten Selîm Hans des Älteren (Selîm I.), begünstigte er den Şehzâde Ahmed, den älteren Bruder des genannten Padischahs. Er wurde deshalb hingerichtet und sein Leichnam … auf einen Abfallhaufen in Bursa geworfen.
Die Moschee steht an Stelle eines byzantinischen Frauenkonvents (Hagios Andreas), von dem sich wichtige Bauteile erhalten haben. Als er 1486 dem islamischen Kultus gewidmet wurde, hatte Mustafâ Pascha den Rang eines Chefs der Schatzkammer
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