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Istanbul

Istanbul

Titel: Istanbul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bussmann
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Moscheen, nördlich davon begann sich Pera, der heutige Stadtteil Beyoğlu, zu formen. Vorwiegend ausländische Gesandte, Diplomaten und Kaufleute ließen sich dort nieder.
    Das Sultanat der Frauen
    Doch mit Süleyman dem Prächtigen und seiner HauptfrauRoxelane begann auch das sog. „Sultanat der Frauen“, eine Umschreibung und Erklärung für den langsamen, über drei Jahrhunderte dauernden Niedergang des Osmanischen Reiches. Durch Intrigen und Anstiftung zum Mord brachte Roxelane ihren SohnSelim II. auf den Thron. Als „Selim der Säufer“ ging er in die Geschichte ein. Noch bevor dieser beschwipst in der Badewanne ausrutschte und ertrank, verlor das Osmanische Reich seine Flotte. Fünf Söhne hatte Selim II., vier davon ließ seine Frau Nurbanu umbringen, damit ihr eigener Sprössling als SultanMurat III. den Thron besteigen konnte. Dieser zeigte sich, wie so viele Sultane, im Harem reger als in der Politik. Er brachte es auf über 100 Kinder, von denen allein seine Frau Safiye 19 ermorden ließ, damit ihr Sohn als SultanMehmet III. den Thron …
    Die Geschichte der weiblichen Einflussnahme auf die Thronfolge könnte man ewig so weiterführen. Und die Tatsache, dass die angehenden Sultane verhätschelt und verwöhnt in der realitätsfernen Welt des Harems heranwuchsen, umschmeichelt von intriganten Höflingen, die nur ihre eigenen Interessen befriedigt sehen wollten, führte dazu, dass überwiegend unfähige Regenten nachkamen. Viele von ihnen waren nicht einmal stark genug, bis ans natürliche Ende ihres Lebens zu regieren. Schon vorher wurden sie erdrosselt, vergiftet oder wegen Geistesschwäche abgesetzt.
    Und so verwundert es nicht, dass es mit dem Osmanischen Reich peu à peu bergab ging. Im Serail störten die Probleme im eigenen Land aber nicht allzu sehr. Hier schwelgte man im Luxus, und ein Bedürfnis nach Veränderung war nicht vorhanden. In der Bevölkerung jedoch kam sozialer und politischer Unfrieden auf.
    Ahmet III. (1703–1730) war der erste Sultan, dessen Herrschaft aufgrund einer Revolte beendet wurde. Für seine Regierungszeit – die Staatsgeschäfte hatte er seinem Großwesir übergeben – steht der Begriff Lale Devri, Tulpenzeit. In der Kunst war sie geprägt vom osmanischen Rokokostil, in der Politik von einer ersten Annäherung an Europa und im Alltag der Herrschenden von rauschenden, märchenhaften Festen und Empfängen, bei denen der Sultan Tulpen streuen ließ, während das einfache Volk hungerte.
    Der kranke Mann am Bosporus
    Der verpasste Anschluss an die industrielle Revolution hatte den Niedergang des Osmanischen Reiches weiter vorangetrieben. Man wurde abhängig von Importen und Waren, die man zuvor lange Zeit selbst gewinnträchtig exportiert hatte.
    Im 19. Jh. sprach man schließlich vom „kranken Mann am Bosporus“, wenn man das Osmanische Reich meinte. Für dessen Hauptstadt hatte sich bereits ab dem 18. Jh. der Name „İstanbul“ (bzw. verwandte Formen) eingebürgert. Woher er stammt, weiß übrigens niemand so genau. Manche Theorien sehen die Herkunft im osmanischen Wort İslâmbol („von Islam erfüllt“), andere in der Verstümmelung des griechischen istin polin („in der Stadt“).
    Erste Versuche, das Reich schrittweise zu reformieren, unternahmMahmut II. (1808–1839). Mit einem Massaker löschte er die Janitscharen aus, die gegen alle fortschrittlichen Strömungen erbittert gekämpft hatten. Er verbot den Turban und führte dafür den Fez ein. Er versuchte, alte Traditionen zu brechen und das Land an Europa – an dem er insbesondere den Champagner schätzte – anzunähern.
    Weiter reichende Reformen folgten unter seinen NachfolgernAbdül Mecit (1839–1861) undAbdül Aziz (1861–76). Beide setzten ihre Hoffnungen auf die Wirtschaftskraft der Nichtmuslime (in İstanbul stellten sie zu jener Zeit rund 50 % der Einwohner), die sie fortan – zumindest auf dem Papier – gleichwertig an der osmanischen Gesellschaft partizipieren ließen. Tanzimat, Neuordnung, nannte man diese Reformperiode. Neu waren eine osmanische Verfassung und die Schaffung eines Parlaments. Neu waren auch westlich angehauchte Paläste wie der Dolmabahçe Sarayı, die ersten fahrplanmäßig verkehrenden Bosporusdampfer (1850), eine Telegrafenleitung von İstanbul nach Europa (1855), die erste pferdegezogene Straßenbahn (1872) usw. Neu war aber am Ende auch der Staatsbankrott (1875).
    Abdül Hamit II. (1876–1909), ein Despot, löste das Parlament wieder auf. Sympathien genoss er beim

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