Italienische Märchen
bei ärmern frommen Leuten, wenn sie selbst darum bat. Bald aber ward es eine hohe Gnade, und alle vornehmen Leute ließen in Bittschriften darum ansuchen; ja es wurde zuletzt gar eine solche Mode daraus, daß manche Leute sich krank stellten, um nur von Liebseelchen besucht zu werden.
Es lebte in der Stadt Soso eine sehr wunderliche alte Person. Sie hatte sich den Leib mit einer engen Jacke, in der eiserne Stangen waren, so eng zusammengepreßt, trug einen so breiten Reifrock, daß sie aussah, wie eine Schreibfeder im Tintenfaß. Schuhe hatte sie an mit so hohen Absätzen, daß sie wie auf Stelzen ging; auf dem Kopf hatte sie eine Perücke von Ziegenhaaren, hoch wie ein Spitzberg, und obendrauf eine Haube, welche ein großes Kriegsschiff mit vollen Segeln vorstellte.
Sie hielt es für unschicklich, wenn man seine Muttersprache sprach, und glaubte, nichts wäre trauriger, als daß die Menschen durch den Mund und nicht durch die Nase redeten, hatte es auch durch lange Übung soweit gebracht, daß sie, ohne den Mund zu bewegen, durch ihre lange spitze Nase sehr lange Komplimente und besonders deutlich dir das Wort Pfui doch! aussprechen konnte, welches aber immer lautete wie fi donc .
Diese gute wunderliche Person nannte sich Mamsell Cephise la Marquise de Pimpernelle und beschäftigte sich damit, junge Mädchen zu erziehen; auch hatte sie eine ganze Herde kleiner Mopshunde, welchen sie die Ohren und die Nase platt drückte, und sie nachher um teures Geld verkaufte, denn sie meinte, der Unterschied zwischen Menschen und Tieren bestehe darin, daß die Menschen durch die Nase sprechen sollten, die Tiere aber durch das Maul.
Als der lustige König Talisqualis sie einmal gesehen und gesprochen hatte, war sie ihm so lächerlich vorgekommen, daß er sie für die lustigste Person der ganzen Stadt erklärte und versicherte, man könnte seine Töchter nicht lustiger erziehen lassen als bei ihr; deswegen ward es allgemein Sitte von vornehmen Leuten, ihre Töchter zu Mamsell Cephise la Marquise de Pimpernelle in die Schule zu schicken, und manche Kinder hatte sie ganz und gar im Hause.
Einmal war ihr eine von ihren Schülerinnen krank geworden, und sie begab sich mit zwei Mopshündchen auf dem Arm zum König Talisqualis, tat einen Fußfall vor seinem Thron, und die zwei Hündchen saßen ihr zur Seite auf den Hinterpfoten und machten mit den Vorderpfoten bitte bitte, wozu sie mit den Zähnen bläckten und alle Augenblicke niesten, da denn die knieende Pimpernelle ihre lange Rede an den König unterbrach und zu ihnen sprach: »Benies!« Der König kam gar nicht aus dem Lachen heraus und sagte zu seinem kurzweiligen Rat: »Das ist eine unschätzbare Person! Was will sie? Es soll ihr alles zugestanden sein.« Da antwortete der Rat: »Ihro Majestät, sie wünscht, daß Prinzessin Liebseelchen eine ihrer kranken Schülerinnen besuchen möge.« Sogleich erlaubte es der König, und es ward der Prinzessin angesagt, daß sie sich bereithalten möge, eine Kranke zu trösten, worauf die Mamsell Pimpernelle nach vielen närrischen Bücklingen abspazierte.
Liebseelchen zog geschwind ihr zimtbraunes Röckchen an, wickelte sich in ihr schwarzes Mäntelchen und hüllte den Kopf in einen schwarzen Schleier und wurde so nach dem Hause der Pimpernelle in einer Sänfte getragen, und wo sie durch die Straßen vorüberkam, schlössen sich alle Mägdlein aus der Stadt Soso ihrem Gefolge an, um ihr Liebe und Ehre zu beweisen.
An der Haustüre empfing sie die Pimpernelle, umgeben von all ihren Hündchen, an der Spitze ihrer Schülerinnen, welche eine französische Arie sangen und sich nach dem Takte verneigten, so oft die Pimpernelle mit dem Fächer winkte, wie ein Regiments-Trommelschläger mit seinem Kommandostab. Die kleinen Mädchen waren alle eingeschnürt wie ein Bund Schreibfedern und gerade wie Strickstöcke; sie machten spitze Mäulchen, waren hoch frisiert und schienen mit ihren blassen Gesichtern eben nicht sehr vergnügt zu sein.
Liebseelchen sah sie alle mit großer Liebe an, und da ihr der Gesang zu lange wurde, stieg sie aus der Sänfte und wollte die guten Kinder der Reihe nach umarmen; aber die Pimpernelle winkte ihnen immer mit dem Fächer zurück und sprach immer: »Respekt! Respekt!« so daß sie eine Treppenstufe nach der andern hinauf zurückwichen, und auf jeder wollte die Pimpernelle ihre französische Rede wieder anfangen; aber Liebseelchen unterbrach sie immer wieder, indem sie eine von den armen Puppen umarmen wollte,
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