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Italienische Märchen

Italienische Märchen

Titel: Italienische Märchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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der lieben Mutter, und wenn dann der Faden angeschwommen kam, band er ihr etwas Gutes zu essen dran und immer schöne Blumen dazu. Als aber der Hofmarschall einmal in die Küche kam und den wunderschönen Ursulus sah, gewann er ihn sehr lieb und sprach: »Morgen früh halte dich bereit, ich will dich zum König Jerum bringen; du sollst Edelknabe bei ihm werden.« Da dankte ihm Ursulus höflich. Am Abend aber war er voller Sorge, wie er seiner Mutter nur sagen solle, daß er aus der Küche heraus in das Schloß komme. Da ging er in den Küchengarten und suchte Blumen und band einen Strauß Vergißmeinnicht, und da kam der Neuntöter zu ihm und dem gab er den Strauß für seine Mutter und sprach zu ihm: »Lieber Vogel, sage meiner Mutter, daß ich Edelknabe werde, und besuche mich manchmal und erzähle mir von ihr.« Der Vogel sagte leise: »Gott helf dir, ich bleibe dein Freund«, und nahm den Strauß und flog in den Turm. Am folgenden Morgen ward Ursulus zu dem König Jerum gebracht. Als dieser ihn sah, ward er recht innerlich in seinem Herzen bewegt, denn Ursulus glich seiner Mutter sehr, und da gedachte der Jerum an sie und an seine Grausamkeit. Er fragte ihn: »Wie heißt du?« Da sagte Ursulus: »Kommtzeitkommtrat.« Der Name machte den Jerum recht nachdenklich, aber er nahm ihn gleich zu sich und erzeigte ihm sehr viele Liebe und ließ ihn alles lehren, was nur auf der Welt zu lernen war. Jerum hatte keine Kinder und Ursulus war ihm so lieb, so lieb; er wußte nicht warum. Deswegen konnten ihn aber die meisten andern Diener nicht leiden, und vor allem die böse Königin Würgipumpa hatte immer einen innern Zorn, wenn sie ihn sah. Ursulus aber wurde von den Untertanen Jerums sehr geliebt, denn Jerum war lange nicht mehr so wild, seit der Knabe bei ihm war, und er besserte sich alle Tage. Wenn nun Ursulus allein war in der Nacht, so kam immer der Neuntöter und pickte am Fenster; da machte Ursulus auf, und der Vogel setzte sich auf sein Bett und erzählte ihm, was die Mutter im Turm mache, und Ursulus erzählte ihm wieder, wie es ihm gehe, und wie Jerum viel besser sei als sonst, und schickte ihr immer viel gute Sachen und allerlei Bildchen und Ringe, die ihm der König schenkte. Ach, da ward die arme Ursula recht froh in ihrer Einsamkeit und weinte vor Freuden und betete zu Gott. So lebte er eine Zeit lang fort und hatte sein größtes Vergnügen dran, in seinen Freistunden durch die ganze Gegend herumzuschweifen. Einstens aber kam er in einen Wald zu einem eisgrauen Schäfer; der saß an einem Brunnen unter grünen Linden und seine Lämmer weideten um ihn her. Er setzte sich zu ihm; es war so still und kühl, und die Sonne schien so freundlich durch die Bäume. Der Schäfer war traurig, und Ursulus sagte zu ihm: »Lieber Schäfer, dieses Plätzchen hier wäre recht schön, um die Gebeine der armen Fräulein hin zu begraben, die jetzt bei dem bösen Pumpelirio Holzebocke herumliegen.« Der Schäfer sagte: »Was sind das für Fräulein?« Da erzählte ihm Ursulus alles, was ihm die Mutter gesagt, und der Schäfer sagte: »Ach Gott, da war mein Töchterlein auch dabei!« und war sehr betrübt. »Ach«, sagte Ursulus, »wenn du hier recht schöne Gruben machen wolltest, alle recht schön in einer Reihe, und wolltest Blumen hineinstreuen, und wolltest um den Platz herum einen Zaun von Rosen machen, so wollte ich dir treulich helfen, und wollten wir die armen Fräulein hier zur Ruhe bringen.« Der alte Schäfer war alles zufrieden, und sie fingen gleich an zu hacken und zu graben, bis Ursulus wieder nach Hause mußte. Aber er kehrte oft wieder, und der alte Schäfer war recht fleißig, so daß alles bald in Ordnung war. Eines Abends kam der gute Vogel zu Ursulus und fand ihn sehr nachdenklich. »Lieber Vogel«, sprach er, »ich habe etwas Großes unternommen und weiß nun nicht, wie ich es ausführen soll. Ich habe einen stillen freundlichen Ort, um die Gebeine der armen Jungfrauen hin zu begraben; alles ist fertig und bereit, jetzt hilf mir das Begräbnis anstellen.« Da sprach der Vogel: »Ich will alles tun, was ich kann, sorge nur für Kreuz und Glocke und für Posaunenspiel und Chorgesang; bringe das morgen nacht mit zum Pumpelirio Holzebock, so soll alles gut gehen.« Ursulus sagte: »Gut, das will ich; nun grüße die Mutter und erzähle ihr alles.« Da flog der Vogel fort. Am andern Morgen, als bei Hof noch alles schlief, sang ein Rotkehlchen am Fenster des Ursulus und es war ihm, als höre er die Worte:

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