Italienische Novellen, Band 1
ihm frage, ging er schnell hinab an die Tür und sprach zu Anselmo: »Mein Gebieter, was verlangt Ihr?«
Anselmo antwortete: »Carlo, du bist vor kurzem in mein Haus gekommen und hast gewünscht, allein in meinem Gemache mit mir zu sprechen. Jetzt wünsche ich mit dir zu sprechen in deinem Saal in Gegenwart dieser ganzen hochedeln Gesellschaft.«
Carlo antwortete: »Mein Gebieter, seht mich hier bereit, jeglichen Befehl von Euch zu erfüllen!«
Er zeigte ihnen sogleich den Weg, und alle gingen die Treppe hinauf in den Hauptsaal von Carlos Hause. Dort angelangt sprach Anselmo folgende Worte: »Geehrteste Frauen, hochedle Männer, ich zweifle nicht, daß jeder von euch mit größter Spannung den Ausgang dieses unseres gegenwärtigen Beisammenseins zu vernehmen wünscht. Es ist etwas, wie es unsere Vorfahren nie gehört noch gesehen haben, und woran ihr nach genauer Betrachtung offenbar den Edelmut unserer Gesinnung erkennen mögt, der nie überwunden worden ist von den unheilvollen Wirkungen des Schicksals, und erkennen, daß Reichtum und Besitz bei uns nicht dem Adel, der Großmut und feinen Sitte gleichgilt. Ich sage das wegen der unendlichen Liebenswürdigkeit, Hoheit und Seelengröße Carlo Montaninis und Angelicas und wegen der Unbesonnenheit unserer Vorfahren, die sich einst Mühe gaben, eine an so edeln und seltenen Geistern fruchtbare Familie auszurotten, wogegen ihr wissen mögt, wie ich schon seit einigen Jahren an der Schönheit des hier gegenwärtigen Mädchens die größte Freude habe; aber in der Tat habe ich noch weit mehr ihre Tugend, Sittsamkeit und Würde geliebt; dessenungeachtet hat nie jemand meine Sehnsucht bemerken können als Carlos scharfsinniges Gemüt. Darum, da dieser lieber sterben als seine Schwester der Mitgift berauben wollte, die er ihr bei seinem geringen Vermögen beschaffen konnte, habe ich, wie ihr alle wißt, seinerzeit tausend Dukaten für ihn bezahlt ohne alle Bürgschaft oder Begehren; ich tat dies, damit ein so edler Geist, der einzige Bruder und Schutz seiner Schwester, die ich so lange im stillen geliebt hatte, ihr nicht geraubt werde. Aber nun seht die wahre Trefflichkeit, den unbefleckten Edelmut und schrankenlosen Hochsinn! Der seltene und ausgezeichnete Geist Carlos konnte eine solche kleine Gefälligkeit nicht annehmen, ohne sie zu vergüten mit einer so großen, daß sie in der Tat für unschätzbar erachtet werden muß. Denn in ganz richtiger Erkenntnis, daß die gegen Angelica gehegte Liebe zum großen Teile meine Handlungsweise veranlaßt hat, wollte er mich mit der von mir so innig Geliebten belohnen. Vor kurzem kamen sie daher allein in mein Gemach, und ohne daß Angelica widerstrebte, machte mir Carlo sie aufs großmütigste zum Geschenk. Damit ich nun aber mit gerechtem Anspruch sie besitzen kann, die ich über alles mit zärtlichem Verlangen liebe, beabsichtige ich von neuem in eurer Gegenwart gewisse Zeremonien vorzunehmen. Zuvörderst, wenn Angelica es zufrieden ist und Carlo seine Zustimmung gibt, ist es meine Absicht, sie zu ehelichen als meine rechtmäßige Gemahlin.«
Angelica und Carlo antworteten, sie seien bereit, allen seinen Wünschen nachzukommen; worauf Anselmo mit drei köstlichen Ringen sie in Gegenwart aller sich vermählte. Sodann wandte er sich zu den Umstehenden und sagte mit freudigem Gesicht: »Es ziemt sich nicht, daß eine so würdige Braut wie Angelica sich ohne Heiratsgut vermähle; darum seid mir Zeugen, daß ich dieser Angelica als Mitgift die Hälfte aller meiner Besitzungen und Habe zum ungeteilten Besitz überweise und schenke! Drittens und endlich vernehmet ebenmäßig, wie ich alles, was hiernach von meinem Eigentum übrigbleibt, als unteilbaren Besitz Carlo schenke und überweise; und da er sich schon zur Erfüllung meines Willens anheischig gemacht hat, so befehle ich ihm, auf diese Weise die Schenkung anzunehmen, worauf ich ihm denn seine Freiheit zurückgebe.«
Carlo gehorchte Anselmos Worten mit größter Freude und Lobpreisung und äußerte sich durchaus zufrieden. Die Übereinkunft wurde schriftlich aufgesetzt, und Anselmo führte noch am selbigen Abend seine Gemahlin in sein Haus ein, unter dem Geleite der ganzen adligen Gesellschaft. Als sie daselbst angelangt waren, lud er alle auf nächsten Sonntag ein und entließ sie für heute. Es war nun nahe an vier Uhr der Nacht; da begaben sich die Neuvermählten mit Carlo zu Tische und darauf nach kurzer Unterhaltung mit größter Wonne schlafen.
Dies also, hochedle
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