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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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gelehrt haben, wäre nicht der überschwengliche Edelmut und die ungeheure Freigebigkeit Anselmos gekommen. Aber da ich überzeugt bin, daß die Undankbarkeit nicht niedrig genug anzuschlagen ist, glaube ich durch deine Mitwirkung deine Würde und meine eigene zu erhöhen, wenn wir hierin unserer Pflicht Genüge leisten. Der vornehmste Diener der Dankbarkeit ist heiterer Sinn und Aussehen: darum bitte ich dich ausdrücklich, nunmehr deinem Weinen ein Ziel zu setzen und dich zu überzeugen, daß der Edelsinn Anselmos diese Vergeltung wirklich und wahrhaftig verdient.«
    Damit schwieg er.
    Angelica und Carlo erwarteten den Einbruch der Nacht. Als sie gekommen war, etwa um zwei Uhr nach Sonnenuntergang, gingen Carlo und Angelica mit einem einzigen Burschen, der ein kleines Licht in einer Laterne trug, an Anselmos Haus, pochten an die Tür, und als die Diener darauf mit der Frage antworteten, wer da sei, sagte Carlo, es sei ein getreuer Diener Anselmos, der höchst nötig habe, mit ihm zu sprechen. Die Diener richteten dies Anselmo aus, worauf dieser unverweilt an die Tür kam, um zu vernehmen, wer es sei. Er ließ sie öffnen, und Carlo und Angelica traten ein. Nach der ersten Begrüßung erkannten sie sich, und Carlo sprach zu Anselmo: »Anselmo, wir müssen mit Euch allein in Eurem Gemache etwas besprechen.«
    Anselmo, von der Neuheit der Sache nicht wenig überrascht, antwortete bloß: »Gehen wir nach Eurem Gefallen!«
    Sie stiegen die Treppe empor und gelangten in das Gemach, welches ausgestattet war, wie es für Anselmos Adel und seinen Reichtum paßte. Er entließ die Diener; bloß die drei blieben in dem Gemach, und Carlo hub gegen Anselmo also an: »Mein gnädigster Herr, von dem ich ohne alles Verdienst von meiner Seite dieses mein Leben und meine Schwester hier ihre Ehre und ihr Auskommen erhalten zu haben dankbar anerkennen muß, – hätte nicht das Mißgeschick unsere Familie so sehr verfolgt, so hätten wir beide, jedes nach seinem Vermögen, die große Verbindlichkeit abgetragen, welche wir gegen Euer Edeln haben. Aber da wir uns in einem so kläglichen Zustande befinden, daß nichts anderes als die Seele und diese Leiber in unserer Gewalt und Herrschaft geblieben sind, und da diese uns nur durch Euch gerettet worden sind, so hat Eure Freigebigkeit sie Euch mit Recht angeeignet. Da aber noch nicht alle Funken vom Edelsinn unseres Geschlechts durch das Schicksal in uns verdunkelt sind, überredet er uns jetzt, ja zwingt uns, daß wir nach Können und Vermögen vor dem Laster der Undankbarkeit fliehen. Wir haben nun nach vernünftiger Überlegung den Vorsatz und Beschluß gefaßt, dieweil nur Angelica hier die Ursache der großen von Euch empfangenen Wohltat sein kann, sei nur sie durchaus imstande, eine so große Schuld und Verbindlichkeit zu tilgen, weshalb sie sich denn freiwillig, und mit meiner vollkommenen Einstimmung, Eurem Willen hingibt, schenkt und überläßt; und so gefalle es denn Euer Edeln, von nun an sie zu besitzen und zu gebrauchen als Euer Eigentum!«
    Nach diesen Worten verließ sie Carlo, ohne eine Erwiderung zu erwarten, verschloß die Tür hinter sich und ging hinweg. Als Anselmo sah, daß Carlo weggegangen und Angelica, die er so lange Zeit heimlich geliebt hatte, nun allein bei ihm im Zimmer war, und er sie betrachtete, die hier immer dastand wie ein Bild, das Carlos Worten weder zuzustimmen noch auch ihnen entschieden zu widersprechen schien, wurde er zugleich von der größten Verwunderung und der äußersten Heiterkeit erfüllt. Fast eine halbe Stunde dauerte seine Überraschung, ohne daß er ein Wort gegen Angelica vorbringen konnte. Dann ging er aus dem Zimmer und ließ sie allein daselbst. Er rief aber sogleich einige Frauen und schickte sie hinein, um Angelica Gesellschaft zu leisten. Sodann ließ er eine große Zahl Fackeln anzünden, ließ in aller Schnelligkeit seine Genossen und alle andern Angehörigen, Männer und Frauen, sich versammeln und ihnen sagen, sie mögen doch schnell herkommen, um an einer großen ihm zuteil gewordenen Freude teilzunehmen. Daher kamen etwa innerhalb einer Stunde alle Verwandte des Hauses Anselmos zusammen.
    Sobald Anselmo bemerkte, daß niemand mehr fehle, sagte er zu ihnen bloß: »Begleitet mich!« Dann rief er Angelica und die andern Frauen aus dem Gemach, und alle gingen nun in das Haus Carlo Montaninis und Angelicas. Dort ließ zur größten Verwunderung aller Anselmo nach Carlo fragen. Sobald Carlo vernommen hatte, daß Anselmo nach

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