Italienische Novellen, Band 1
Salimbene, der aus eigenen Antrieb seines zarten und grundguten Herzens, ohne von jemand dazu aufgefordert zu sein, außer von der Liebe, die er für dich hegt, für mich tausend Golddukaten bezahlte, ohne Rücksicht auf jene alte schwere Beleidigung unserer Vorfahren, die den Tod in seine Familie trugen, ja, ohne Bürgschaft von mir zu verlangen und ohne von uns irgendeine Wohltat empfangen zu haben. Darum, meine holde Schwester, nachdem ich von ihm das Leben erhalten habe und du gleicherweise deinen Bruder nebst deinem Auskommen, sei nun du nicht undankbar und mache nicht mich dazu! Ich habe mich entschlossen, deine Person der Willkür Anselmos zur freien Verfügung zu übergeben. Denn da er gezeigt hat, wie sehr er dich hochschätzt, haben wir dann sicher, indem wir dich ihm überlassen, unsere Verbindlichkeit reichlich gelöst. Ich bin überzeugt, nachdem er gezeigt hat, daß er dich bezahlt, ohne dich in seiner Gewalt zu haben, daß er nachher, wenn er dich besitzt, dich um so viel teurer halten wird. Ich muß dir dabei gestehen, daß, wenn du meiner billigen Bitte nicht zu willfahren gedenkst, ich völlig entschlossen bin, nicht allein Siena, sondern überhaupt Italien zu verlassen und in die Fremde zu ziehen, wo man mich gewiß nicht kennt, damit man nicht mit Fingern auf mich weist und ruft: ›Seht da den Carlo Montanini, dem ohne Gesuch und Bürgschaft Anselmo Salimbeni das Leben gerettet hat, und dem der Undankbare nie einen Gegendienst erweist!‹ Du wirst wohl einsehen, daß auf eine andere Weise ein solcher Edelmut unmöglich belohnt werden kann, als dadurch, daß wir ihm dich selbst schenken.«
Nach diesen Worten schwieg er. Angelica aber antwortete unter einem Strome von Tränen ganz zitternd also: »Mein liebster Bruder, wehe, neulich, als ich dich nach Hause zurückkehren und von solcher Gewalt und Wut gerettet sah, glaubte ich, das Mißgeschick habe die Schläge eingestellt, die es seit langer Zeit unserer Familie zu erteilen gewohnt ist. Aber ich Arme sehe nunmehr ein, daß das Schicksal unsern Vorfahren sich nie so feindselig erwiesen hat, wie es jetzt mit all seiner Gewalt darauf bedacht zu sein scheint, sich mir zu erweisen in dem zarten Alter, in welchem ich stehe, indem es mich in solche Not geführt hat, daß ich ohne Rettung mich bedrängt sehe, und mir da den einzigen Trost, Schutz und Beistand entzieht, worauf ich alle Hoffnung gesetzt hatte, und zwar wenn ich verweigere, was mir meine Vernunft zu tun verbietet. Ich selbst soll, indem ich dein Begehren vollständig erfülle, dazu beitragen, den unschätzbaren Hort zu verlieren, um dessen Erhaltung willen kein vernünftiger Mensch den Verlust des gegenwärtigen Lebens zu hoch anschlagen darf. O du grimmiges Geschick! Elendes Leben, das so vielen und mannigfaltigen Bewegungen von Unheil und Drangsal unterworfen ist! O erbarmungsvoller Tod, warum hast du, da ich so weit gebracht werden sollte, mir nicht mein elendes Leben ausgelöscht mit meiner süßen Mutter, die du mir bei der Geburt entrissen hast? Oder doch, nachdem du bis so weit zugestimmt hast, daß ich endlose Mühsal, Bedrängnis und Schmerzen erdulde, – warum schließt du nicht jetzt diese weinenden Augen, welche andern wenig Vergnügen, mir selbst aber viel Bitterkeit verursacht haben? Wohlan, nachdem mein Schicksal mich in solches Elend zu führen sich anschickt, wisse, mein teurer Bruder, der du weit mehr auf die Stimme des Edelmutes als auf die Forderungen der Vernunft hörst, ich bin's zufrieden, deinen Willen zu erfüllen und die Liebe zu lohnen, die du immerdar bis zu diesem Augenblicke gegen mich gezeigt hast, und ich bin damit einverstanden, daß du mit diesem Leibe ein Geschenk machest, wem dir gefällt. Aber das sollst du wissen: sobald du mich hingeschenkt hast, sobald ich nicht mehr dir angehöre, soll der Tod, den ich selbst grausam hervorrufen werde, wenn je meiner Würde zu nahe getreten wird, ein wahres und vollgültiges Zeugnis ablegen, daß ich zu deinem ungehörigen Geschenk und deiner unerlaubten Wiedervergeltung nicht meine Einwilligung gegeben habe.«
Nach diesen Worten, die von einem reichlichen Strome von Tränen, von Seufzern und Schluchzen unterbrochen waren, schwieg sie. Carlo aber sagte, als er Angelicas Schluß gehört hatte: »Meine holdeste Schwester, glaube nicht, daß mir je dieses armselige Leben so teuer ist, daß ich es nicht gern unzählige Male hingegeben hätte, ehe ich deine Ehre in Gefahr brächte! Die Erfahrung sollte dich dies
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