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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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hätten sie umgebracht und mit einem großen Stein um den Hals etwa zehn Meilen auf dem Meer in die Tiefe versenkt.
    Das unglückliche Fräulein, das nie aus der Stadt gekommen war, ward fast bei jedem Schritte mutloser schon bei dem Gedanken, daß sie ihren Antonio nun verlasse ohne Hoffnung, ihn wiederzusehen, und viele eitle Gedanken an die Rückkehr gingen ihr durch den Kopf; aber in Erinnerung an die empfangene Wohltat und zugleich ihr gegebenes Versprechen, hatte die Dankbarkeit, diese Blüte jeder Tugend, in ihr eine solche Kraft, daß sie jeden zuwiderlaufenden Plan verjagte. Darum nahm sie den Weg unter die Füße, obwohl sie nicht sehr gewohnt war, zu Fuß zu gehen, befahl sich in Gottes Schutz und ging, ohne selbst zu wissen wohin. So wanderte sie den ganzen Rest der Nacht über weiter mit großer Beschwerde. Gegen Tagesanbruch befand sie sich bei Nocera, wo sie zu einigen Gesellschaften stieß, welche nach Neapel gingen, und sie gesellte sich vertraulich zu ihnen. Dabei war unter anderen ein calabrischer Edelmann, der dem Herzog von Calabrien ein paar Sperber überbrachte. Diesem gefiel des Jünglings Aussehen, und er fragte ihn, woher er sei und ob er in Dienste gehen wolle. Veronica, die in ihrer Kindheit durch Nachahmung einer in ihrem Hause wohnenden alten Apulierin viele Wörter dieser Mundart gelernt hatte, fiel es ein, sich derselben beständig zu bedienen, und sie antwortete: »Misser, ich bin ein Apulier, und ich bin aus keiner andern Absicht von Hause fortgegangen, als um Dienste zu suchen. Da ich aber der Sohn eines edeln Vaters bin, möchte ich mich nicht gern zu niedrigen Diensten verstehen.«
    Der Calabrier sagte: »Würde es Euch anstehen, einen Sperber zu versorgen?«
    Diese Frage kam Veronica sehr gelegen, da sie im Hause ihres Vaters nicht nur einen, sondern viele mit großer Zärtlichkeit besorgt hatte. Sie antwortete ihm daher, sie habe sich von Kindheit auf mit nichts anderem beschäftigt. Nachdem sie so noch manches hin- und hergesprochen, wurden sie einig, daß sie ihm unterwegs einen Sperber übernehme. Als sie in Neapel angekommen waren, wurde sie von ihrem Herrn besser angetan, so daß sie wirklich ganz wie ein schmucker Schildknappe aussah, und, sei es Fügung des Schicksals oder daß ihr anmutiges Äußere ihn rührte, es begab sich, als man dem Herzog die Sperber überreichte, daß dieser zugleich mit den Sperbern den Apulier haben wollte, der so gut mit ihnen umzugehen wußte. So geschah es auch; er wurde auf die Liste der Hausdienerschaft gesetzt und ihm ein neapolitanischer Edelmann beigesellt. Er gab sich auch so viel Mühe, sich gut aufzuführen und seinen Dienst recht zu versehen, daß er in kurzer Zeit die Gnade seines Gebieters in einem Maße erwarb, daß er zu den höchst geehrten und begünstigten gehörte, und auf diese Weise ging es in zunehmendem Glücke weiter, bis es dem Schicksal gefiel, seinen Angelegenheiten eine andere Bahn vorzuzeichnen.
    Der alte Vater, der in unerträglichem Schmerz zurückgeblieben war, mußte sich, da die Sache den Weg in den Mund des Gerüchts gefunden hatte, die meiste Zeit zu Hause verschlossen halten und führte so dort oder zuweilen auf einem Landgut ein einsames und düsteres Leben. Antonio aber, nachdem er mit bittern, blutigen Tränen den Tod seiner Veronica beweint und bejammert hatte, war durch vorsichtige Erkundung zu der Überzeugung gelangt, daß der Ritter nie habe erfahren können, wer der entflohene Jüngling war. Um nun jeden Verdacht von sich zu entfernen und überdies von Mitleid gerührt, besuchte er ihn einige Tage nach dem Vorfall, wie wenn er beständig die zärtlichste Liebe für sein Haus fühlte, begleitete ihn meistens auf das Land und bezeugte sich gegen ihn wie ein leiblicher gehorsamer Sohn mit größter Nachgiebigkeit und Teilnahme. Misser Mazzeo wußte dies besonders hoch zu schätzen, da es ihm schien, Antonio sei der einzige, der ihn in der mißlichen Lage nie verlassen habe. Aus diesem Grunde und wegen der eigentümlichen Vorzüge des Jünglings fühlte er sich genötigt, ihn wie seinen eigenen Sohn zu lieben, und er wandte ihm so sehr alle Neigung seines Herzens zu, daß er keine Stunde ohne seinen Antonio bleiben konnte. Da er nun sah, daß dieser in solchem Gehorsam und solcher Dienstwilligkeit mit Ehrerbietung und Liebe fortfuhr, entstand in dem Herzen des Ritters, dieweil ihn sein unseliges Los ohne Erben gelassen hatte, der Wunsch, ihn im Leben und im Tod zum Sohn anzunehmen. Dieser Gedanke

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