Italienische Novellen, Band 1
möchten sich wegen einer Sache von höchster Wichtigkeit in sein Haus verfügen. Sie kamen sogleich heran, und sobald sie versammelt waren, bat er sie, sie möchten ihn zum Palast des Fürsten begleiten, denn er beabsichtige mit ihrer Erlaubnis von der Gnade des Herzogs die Wiedereinsetzung eines früher dem Misser Mazzeo angehörigen adeligen Lehens zu erbitten, das, schon seit Jahren in fremdem Besitz befindlich, dem rechten Eigentümer, weil er unbekannt gewesen, keinen Nutzen getragen habe.
Alle gingen gern mit ihm hin, und sobald sie vor dem Fürsten standen, nahm er seine Veronica bei der Hand, und vor allen Anwesenden erzählten nun die beiden ihre frühern und neuern Begegnisse Punkt für Punkt, ohne etwas auszulassen, und erklärten sodann, wie sie schon zu Anfang ihrer Liebe sich durch ihr feierliches Wort und beiderseitige Zustimmung geheiratet, und daß sie beabsichtigen, mit Genehmigung seiner fürstlichen Gnaden vor so würdigen Zeugen diesen Ehebund öffentlich anzuerkennen. So sehr sich der Herzog mit seinen Baronen und der ganzen Verwandtschaft und allen andern Einheimischen und Fremden darüber verwunderte, als sie diese seltsamen Begebenheiten vernahmen, so war es doch jedem sehr erfreulich zu sehen, welches gute und ehrenvolle Ende die Sache nahm, und das Verfahren Antonios sowie das würdige Benehmen Veronicas wurde von allen gelobt. Der Herzog entließ sie mit großer Freude nach Hause und veranstaltete am andern Morgen eine feierliche prunkvolle Messe, der er selbst mit vielen Adeligen und andern Leuten beiwohnte. Bei derselben wurde zur allgemeinen Freude unserer Salernitaner Veronica dem Antonio nach Stand und Würden angetraut. Sie teilten sehr große Geschenke aus und lebten in Glück und Reichtum, von inniger Liebe und schönen Kindern erfreut, lange Zeit ungestört bis an ihr Ende.
Giovanni Sabadino degli Arienti
Um 1450 – 1510
Der Herzog von Mailand
Der Graf Francesco, Sohn Sforzas von Codignola, war, wie ihr wißt, ein Fürst, bei dem weder Natur noch Glück es an irgend etwas hatten fehlen lassen. Wir sprechen nicht davon, wie erlaucht, prachtliebend, freigebig, gütig und gnädig er war: denn in allen diesen Eigenschaften übertraf er nicht allein alle Männer der Gegenwart, sondern tat es auch allen alten Römern und Griechen gleich. Aber das wollen wir erwähnen, daß er im Waffenhandwerk, in das er all seinen Ruhm und seine Ehre setzte, nicht minder mannhaft, klug und hochherzig war als Sertorius, Marcellus, Lucullus, Cäsar und Pompejus, oder wer sonst noch mehr den Mund der Fama in den Büchern der Geschichte in Bewegung setzt. Daß dies wahr sei, beweist die Tat, da er nicht nur alle andern kriegerischen Herzöge, an denen Italien so fruchtbar war, wie ihr wißt, bekriegte und glorreich überwand, sondern auch durch diese seine Tapferkeit sich zum Herrn der Lombardei emporschwang. Dessenungeachtet, obwohl alle diese Eigenschaften in gehäuftem Maße bei ihm vorhanden waren, wie ihr sicherlich in eurem Leben schon tausendmal gehört habt, und obwohl er siegreiche Heere bändigte und zu Boden schlug, konnte er doch nicht vermeiden, von der Gewalt des jungen Schützen gefangen zu werden, und wurde an dem Siegeswagen seiner Gottheit unter der übrigen zahlreichen Schar im Triumph geführt ob der preiswürdigen Schönheit einer edeln Jungfrau aus unserer Stadt, deren Namen und Geschlecht ich mit Stillschweigen übergehen will, um nicht Veranlassung zu geben, daß ihr ehrsamer Ruf befleckt werde. Für dieses Mädchen entbrannte er dermaßen, daß er Tag und Nacht an nichts anderes als an sie dachte und nichts, was er sah, ihm so gefiel, ja daß er am Ende vor Gram gestorben wäre, wenn er nicht mit ihr der Minne Lust hätte genießen sollen; und ihre Eltern mußten, da es nun einmal sein ganz besonderer Wunsch war, und um den Fürsten nicht dem Tod und der Verzweiflung preiszugeben, sie ihm überlassen.
Nun kam aber die Sache, ich weiß nicht auf welche Art, der durchlauchtigen Herzogin zu Ohren, einer Frau, die in ihrem Geschlecht ebenso erhaben war wie ihr Gatte unter den Männern. Sie war daher sehr wachsam, um die Ausführung dieser Liebespläne zu verhindern und nicht solche Unlust und Hintergehung von seiten eines Mannes zu erfahren, den sie ausschließlich liebte. Als nun eines Abends das Mädchen auf das Schloß der Stadt geführt wurde, hatte die vorsichtige Herzogin darauf wohl acht und war schon durch ihre ausgestellten Kundschafter von der Sache unterrichtet.
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