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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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reifte zum Entschluß, und als er seine letzte Willensmeinung aufsetzte, bestellte er seinen Antonio zum Erben aller seiner fahrenden und liegenden Habe und gesegnete auch bald darauf das Zeitliche.
    Antonio sah sich nun im Besitz einer so großen Erbschaft und zog in das Haus des Ritters ein, und es war keine Stelle, die ihn an seine Geliebte erinnerte, auf der er nicht geweint und geseufzt hätte. Es kam ihm nicht aus dem Sinn, daß sie lieber habe den Tod erdulden, als ihn entdecken wollen; und von dieser Liebestat durchdrungen und noch viele andere schöne Eigenschaften seiner Veronica erwägend, faßte er bei sich den Plan und Entschluß, sich nie zur Eingehung einer Ehe verstehen zu wollen.
    Unterdessen geschah es, daß der Herzog beschloß, eine Reise nach Calabrien zu machen. Dies war dem Apulier über die Maßen lieb, angesehen daß er nicht allein sein Vaterland wiedersehen, sondern auch wieder gelegenheitlich irgend etwas von dem Geliebten und dem Vater vernehmen durfte, den Veronica doch durchaus nicht zu hassen vermochte; denn um sich nicht irgendwie zu verraten, hatte sie vermieden, nach ihnen zu fragen, und daher nie etwas von ihnen erfahren. Als sie in Salerno ankamen, wurde das Gefolge des Herzogs nach Stand und Würden in verschiedenen Häusern untergebracht, und das Schicksal, welches Veronica von den langen Bedrängnissen und Leiden, die sie erduldet, befreien und mit ihrem Antonio in Freude versetzen wollte, fügte es, daß durch eine ganz zufällige unabsichtliche Anordnung dem Antonio Marcello das Los zufiel, den Apulier samt seinem Genossen in sein Haus aufnehmen zu müssen.
    Welche Wonne dies Veronica bereitete, kann jeder selbst beurteilen. Sie wurden von Antonio sehr ehrenvoll und freundlich aufgenommen, und am Abend bereitete er ihnen eine kostbare Mahlzeit. In demselben Gang, wo er sich meistens mit seiner Geliebten zu vergnügen pflegte, faßten sie nun einander ins Auge; es stellte sich ihm eine Weile das Bild seiner Geliebten, und indem er ihres Lebens und Todes gedachte, begleitete er alle seine Worte mit heißen Seufzern. Veronica, die sich so in ihr eigenes Haus geführt sah, war zwar sehr erfreut, ihren treuen Liebhaber so im Besitz von allem zu sehen; aber da sie weder den Vater noch jemand von der zur Zeit ihres Scheidens hier anwesenden Dienerschaft erblickte, erfaßte sie eine natürliche Wehmut; sie wünschte Aufschluß zu haben, und doch scheute sie sich zu fragen. Während sie so unentschlossen bei Tisch saß, fragte ihr Genosse Antonio, ob das im Gang abgemalte Wappen das seinige sei. Antonio antwortete: nein, vielmehr gehöre es einem sehr würdigen Ritter namens Misser Mazzeo, dem Oberrichter, der, dieweil er in seinem Alter keine Kinder gehabt, ihn zum Erben aller seiner Güter eingesetzt habe, weshalb er denn als ein angenommener Sohn nicht nur die Besitzungen, sondern auch den Namen des Hauses und das Wappen wie von seinem leiblichen Vater sich zu eigen gemacht habe.
    Als Veronica diese Kunde vernahm, fühlte sie sich plötzlich so erheitert, daß sie nur mit Mühe die Tränen zurückhielt. Doch tat sie sich Gewalt an, um die Mahlzeit nicht zu stören. Als diese aber vorbei war, konnte sie nicht länger warten, ihr unbestrittenes Besitztum, das ihr das günstige Geschick bis hierher aufbewahrt hatte, in ihre offenen Arme aufzunehmen. Sie faßte daher Antonio bei der Hand, verließ ihren Begleiter und die andere Gesellschaft, und sie traten in ein anderes Gemach. Dort wollte sie einige Worte sprechen, die sie vorher ausgedacht hatte, um zu sehen, ob er sie wiedererkenne; aber die Freude ihres Herzens und die Tränen ließen ihr nicht zu, den Mund aufzutun, vielmehr sank sie kraftlos ihm in die Arme und konnte nur hervorbringen: »O mein Antonio, ist's möglich, daß du mich nicht kennst?«
    Er, der, wie schon gesagt, bereits seine Veronica zu erkennen gemeint hatte, war nun, da er die Worte hörte, plötzlich von der Richtigkeit seiner Vermutung überzeugt und sagte, von größter Rührung überwältigt: »Ach, so lebst du denn noch, mein Herz?«
    Nach diesen Worten sank auch er über sie hin. So hielten sie sich lange stumm umarmt, und da sie wieder zu sich kamen und sich ihre seitherigen Schicksale erzählten, erkannte Antonio, daß das für sie beide so erfreuliche Ereignis nicht verheimlicht werden dürfe. Sie verließen daher das Zimmer, und obwohl es spät war, schickte Antonio schleunig aus und beschied die ganze Verwandtschaft Veronicas und seine eigene, sie

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