Italienische Novellen, Band 1
Alessandro ein und führte ihn an den gewohnten Ort, wo er den Bescheid erhielt zu warten, denn er werde sogleich mit den Mädchen in der Barke zurück sein. Sobald Alessandro zu seiner Geliebten gekommen war, erzählte er ihr von der bestandenen Gefahr, und daß er derselben vorbeugen wolle durch die Veranstaltung, die er ihr durch die Alte habe mitteilen lassen. Er ließ sie daher sogleich ein seidenes Kleid anziehen, das er ihr schon vorher bei Tage geschickt hatte, und verhüllte sie so, daß Rado sie nicht erkennen konnte, wenn sie in die Barke kamen.
Als Rado den Alessandro mit einer einzigen Frau kommen sah, sagte er zu ihm: »Herr, wo ist denn die meinige, die Ihr mir gestern abend versprochen habt?«
Alessandro antwortete: »Sie konnte nicht kommen wegen eines eingetretenen Hindernisses. Aber du sollst dich dennoch nicht über mich beklagen können, und ich glaube, diese hier wird für uns beide genügen; wenn ich mit ihr fertig bin, überlasse ich sie dir, und obschon ich deine Gattin nicht kenne, so glaube ich doch, daß diese ein nicht weniger schönes und sauberes junges Weib ist als sie.«
»Das glaube ich gern«, antwortete Rado; »aber das könnte ich nicht übers Herz bringen, Euch so in Euer Gehege zu kommen!«
Alessandro aber versetzte: »Sei nicht so seltsam! Wenn ich es nicht gern täte, so hätte ich es nicht zu dir gesagt, und du würdest es auch nicht tun dürfen. So aber soll es dich nichts kosten, als an einem Festtage ein Fischfrühstück, wozu ich ein paar gute Humpen mitbringen will.«
Rado schlug das Anerbieten nochmals aus, Alessandro aber beharrte durchaus bei seinem Willen, und so gab denn Rado doch endlich auch nach. Er ließ daher die Barke stehen, nahm die Zither in die Hand und fing an zu spielen; Alessandro ging währenddessen unter Rados Zelt und gab sich seiner Lust hin beim Tone der Zither, die Rado spielte. Und nachdem er mit seinem Geschäft zu Ende war, sagte Alessandro zu Rado: »Nun mach und nimm auch dein Teil! Aber hüte dich, daß du mir nicht versuchst, sie erkennen zu wollen, denn sie ist aus einer ehrenwerten Familie, und ich habe ihr weisgemacht, du seiest ein hiesiger Edelmann!« Darauf antwortete Rado: »Darum kümmere ich mich nicht, denn ich will ja doch auf keine Weise eine Verwandtschaft mit ihr anknüpfen.«
Nach diesen Worten ging er zu der Frau hinein, und nach kurzer Zeit kehrte er zu Alessandro zurück und sagte zu ihm: »Herr, das ist in der Tat ein ganz artiges Mädchen. Es war mir gerade, als läge ich bei meinem Weibe, so viel Ähnlichkeit hat sie mit ihr im Fleische und im Atem. Deswegen will ich Euch denn auch gern mit Fischen aufwarten für die Artigkeit, die Ihr mir bewiesen.«
Alessandro lachte und trieb in großem Jubel allerhand Scherz mit ihm, bis sie endlich die Frau wieder an die Stelle zurückbrachten, wo sie sie aufgenommen hatten. Jeder ging sodann nach Hause, und Rado fand seine Frau, welche tat, als wäre sie sehr ärgerlich, und anfing, ihn auszuschelten und ihm Vorwürfe zu machen, daß er sie auf solche Art allein lasse. Er entschuldigte sich aber und legte alles dem Alessandro zur Last.
Am nächsten Sonnabend nun veranstaltete Rado seinem Versprechen gemäß dem Alessandro und seinen Freunden das Frühstück. Alessandro hatte diesen die ganze Geschichte vorher erzählt. Sie lachten daher viel darüber und wurden allmählich dem Rado zur Last, indem dieser und jener seinen Witz darüber riß, wiewohl zu Alessandros großem Verdruß, bis Rado endlich den Schwank merkte, weshalb er voll Unwillen nach Hause eilte, um seiner Frau übel mitzuspielen. Alessandro aber hatte es noch zu rechter Zeit gemerkt und die Frau auf die Seite schaffen lassen. Als daher Rado sie nicht traf, lief er voll Scham und Schmerz ganz verzweifelt davon, und Alessandro genoß von nun an in aller Sicherheit seine schöne Frau.
Veronica
Ich erinnere mich, öfters von einem uralten Großvater als vollkommene Wahrheit erzählen gehört zu haben, wie zur Zeit Karls II. in Salerno ein sonderbarer Ritter lebte aus edler Familie, namens Misser Mazzeo. Er war Oberrichter und reicher an Geld und Gut als irgendeiner seiner Landsleute. Als er schon betagt war, starb ihm seine Gattin, und es blieb ihm von ihr nur eine einzige Tochter namens Veronica, ein sehr schönes und verständiges Mädchen, die aber, entweder wegen der übergroßen Liebe, die der Vater zu ihr als seinem einzigen braven Kinde hegte, oder weil sie für irgendeine hohe Verbindung aufgehoben
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