Italienische Novellen, Band 1
Es ist dies sehr wesentlich.
Giulietta nahm das Pulver, kehrte ganz heiter zu ihrer Mutter zurück und sagte zu ihr: In der Tat, Madonna, der Bruder Lorenzo ist der beste Beichtvater von der Welt. Er hat mich so sehr erhoben, daß ich von meiner frühern Traurigkeit gar nichts mehr weiß.
Madonna Giovanna, die über der Heiterkeit ihrer Tochter auch von ihrer Betrübnis verloren hatte, antwortete: Wohlan, meine Tochter, nimm darauf Bedacht, daß du ihn auch zuweilen wieder erhebest durch unsere Almosen: denn es sind arme Mönche.
Unter diesen Gesprächen kamen sie nach Hause. Nach dieser Beichte war Giulietta ganz heiter geworden, so daß Messer Antonio und Madonna Giovanna allen Verdacht, sie möchte verliebt sein, aufgegeben hatten. Sie meinten vielmehr, irgendein unerklärlicher Anfall von Schwermut habe das Weinen veranlaßt, und sie hätten sie gern vorläufig ungestört gelassen und nichts weiter von einem Mann gesprochen. Sie waren aber in der Sache schon so weit gegangen, daß sie ohne Schwierigkeit nicht zurücktreten konnten. Als demnach der Graf von Lodrone wünschte, daß einer von seiner Familie das Fräulein sehe, und da Madonna Giovanna etwas kränklich war, wurde verabredet, daß das Mädchen von zweien ihrer Muhmen begleitet auf das schon erwähnte Landgut des Vaters in der Nähe der Stadt sich begebe. Sie widersetzte sich durchaus nicht und ging hin. Da sie nun der Meinung war, ihr Vater habe sie so plötzlich dahin geschickt, um sie ohne weiteres ihrem zweiten Gemahl in die Arme zu werfen, hatte sie das Pulver mitgenommen, das ihr der Mönch gegeben; gegen vier Uhr in der Nacht rief sie eine Dienerin, die mit ihr erzogen worden war, und die sie fast wie eine Schwester hielt, ließ sich von ihr einen Becher mit kaltem Wasser geben und sagte, die Speisen des Abendessens hätten ihr Durst gemacht. Darein warf sie nun das kräftige Pulver und trank den Becher ganz aus. Darauf sagte sie vor der Dienerin und einer ihrer Muhmen, die mit ihr aufgewacht war: Mein Vater wird mir gewiß gegen meinen Willen keinen Mann geben, soweit es von mir abhängt.
Obgleich die Frauen, die aus etwas grobem Teig gebacken waren, sie das Pulver hatten trinken sehen, von dem sie behauptete, sie schütte es in das Wasser zur Abkühlung, und obgleich sie diese Worte hörten, schöpften sie doch keinen Verdacht und merkten nichts; vielmehr kehrten sie in ihr Bett zurück. Giulietta löschte das Licht, und als die Dienerin weggegangen war, tat sie, als müsse sie eines natürlichen Bedürfnisses wegen aufstehen, stieg aus dem Bette, zog alle ihre Kleider wieder an und kehrte dann ins Bett zurück, legte sich, als hätte sie geglaubt, sterben zu müssen, in demselben so gut als möglich zurecht, faltete die Hände auf der Brust und erwartete so, daß der Trank seine Wirkung tue. Es dauerte auch nicht viel über zwei Stunden, so lag sie wie tot da.
Als der Morgen kam und die Sonne schon eine gute Weile aufgegangen war, fand man das Fräulein in der Art, wie ich gesagt habe, auf ihrem Bette liegend. Man wollte sie aufwecken, aber umsonst, denn man fand sie schon fast ganz kalt. Da erinnerten sich die Muhme und die Dienerin des Wassers mit dem Pulver, das sie am Abend getrunken hatte, und der Worte, die sie dabei gesprochen. Als sie ferner bemerkten, daß sie sich angekleidet und selbst auf dem Bette so eigentümlich hingelegt hatte, hielten sie das Pulver für Gift und sie selbst für unzweifelhaft tot. Da erhob sich unter den Frauen ein großer Lärm und Heulen; besonders die Dienerin rief sie oft beim Namen und sagte: O Madonna, das war es also, daß Ihr sagtet: 'Mein Vater wird mir gegen meinen Willen keinen Mann geben.' Ihr habt trügerischerweise von mir frisches Wasser verlangt, das mir Elender Euren herben Tod bereitet hat. O ich Unglückliche! Über wen soll ich am meisten klagen, über die Tote oder über mich selbst? O Madonna, ich habe Euch mit meinen eigenen Händen das Wasser gebracht, damit ich Unglückliche auf solche Weise von Euch verlassen werde! Ich allein habe Euch, mich, Euren Vater und Eure Mutter auf einen Schlag getötet. Ha, warum habt Ihr im Tode die Gesellschaft einer Eurer Dienerinnen verachtet, die Ihr im Leben so liebzuhaben schienet? Wie ich gern mit Euch gelebt habe, so wäre ich auch gern mit Euch gestorben.
Bei diesen Worten stieg sie auf das Bett und schloß das scheintote Fräulein fest in ihre Arme. Messer Antonio, der in der Nähe war und den Lärm gehört hatte, eilte, am ganzen Leibe
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