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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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zitternd, in das Zimmer der Tochter, und da er sie so auf dem Bett liegen sah und hörte, was sie in der Nacht getrunken und gesprochen hatte, schickte er, obschon er sie für tot hielt, doch zu seiner eigenen Beruhigung schnell zu seinem Arzte, den er für sehr gelehrt und erfahren hielt, nach Verona. Dieser kam, sah das Fräulein und berührte sie etwas und erklärte, sie sei infolge des genommenen Giftes schon sechs Stunden verschieden. Als der unglückliche Vater dies hörte, brach er in eine grenzenlose Wehklage aus. Die Trauerkunde verbreitete sich schnell von Mund zu Mund und war in kurzem auch der armen Mutter zugekommen, die, plötzlich von jeder Lebenswärme verlassen, wie tot niedersank, und als sie mit einem gellen Schrei wieder aus ihrer Ohnmacht erwachte, sich wie von Sinnen schlug und, den Namen der geliebten Tochter ausrufend, die Luft mit Klagen füllte.
    Ich sehe dich tot, rief sie, o meine Tochter, du einzige Ruhe meines Alters! Und wie hast du, Grausame, mich verlassen können, ohne deiner unglücklichen Mutter noch Gelegenheit zu geben, deine letzten Worte zu vernehmen? Ich hätte dir wenigstens deine schönen Augen zugedrückt und deinen köstlichen Leib gewaschen. Wie kannst du mich das von dir hören lassen? O liebste Frauen, die ihr da bei mir seid, helft mir sterben, und wenn noch ein Erbarmen in euch lebt, so laßt eure Hände (wofern ein solcher Dienst nicht zu niedrig für euch ist) mir eher das Lebenslicht auslöschen, als meinen Schmerz! Und du, großer Vater im Himmel, da ich nicht so bald sterben kann, als ich wünsche, entzeuch mit deinem Pfeile mich mir selbst, da ich mir so verhaßt bin!
    Sie wurde sofort von einer ihrer Frauen aufgehoben und auf das Bett gebracht, und andere suchten mit vieler Mühe sie zu trösten; aber sie hörte nicht auf zu weinen und zu jammern. Das Fräulein wurde indes von dem Landgute, wo sie sich befand, nach der Stadt gebracht und unter einer großen prunkhaften Leichenfeier, von allen ihren Verwandten und Freunden bejammert, in der Gruft des Kirchhofs bei San Francesco als tot beigesetzt.
    Bruder Lorenzo, der in Angelegenheiten des Klosters etwas aus der Stadt gegangen war, hatte den Brief Giuliettas, den er an Romeo besorgen sollte, einem Mönch übergeben, der nach Mantua ging. Als dieser daselbst ankam, ging er zwei- oder dreimal in Romeos Haus und traf ihn unseligerweise nie an; da er aber den Brief nur ihm selbst einhändigen wollte, behielt er ihn noch bei sich.
    Pietro, welcher Giulietta tot glaubte, beschloß in größter Verzweiflung, da er den Bruder Lorenzo in Verona nicht auffand, selbst Romeo eine so schlimme Kunde zu überbringen, wie sie der Tod seiner Geliebten ihm sein mußte. Er ging deshalb des Abends aus der Stadt nach dem Landgute seines Herrn zurück und wanderte in der Nacht so eilig nach Mantua, daß er schon am Morgen beizeiten daselbst anlangte. Er fand Romeo, noch ehe dieser von dem Mönche den Brief seiner Gattin erhalten hatte, und erzählte ihm unter Tränen, daß er die tote Giulietta habe beisetzen sehen, berichtete auch ausführlich, was sie zuletzt getan und gesprochen habe. Als dieser solches hörte, ward er ganz blaß und halb tot, zückte den Degen und wollte sich erstechen. Seine Leute hielten ihn zwar zurück, aber er sagte: Mein Leben kann in keinem Falle mehr lang dauern, da mein wahres Leben gestorben ist. O meine Giulietta, ich allein bin schuld an deinem Tode, da ich nicht, wie ich dir geschrieben hatte, kam, um dich deinem Vater zu entführen. Du wolltest sterben, um mich nicht zu verlassen, und ich sollte aus Todesfurcht allein leben? Das soll nicht geschehen.
    Und zu Pietro gewendet sagte er, indem er ihm ein Trauerkleid vom Leibe weg schenkte: Gehab dich wohl, mein Pietro!
    Pietro verließ ihn, Romeo schloß sich allein in sein Zimmer ein, und da ihm nichts unerträglicher schien, als ferner zu leben, überlegte er, was er nun mit sich beginnen solle. Endlich verkleidete er sich als Bauer, nahm ein Fläschchen mit Schlangenwasser, das er seit langer Zeit für einen Notfall in einer Schachtel aufbewahrt hatte, steckte es in seinen Ärmel und machte sich auf den Weg nach Verona, in der Aussicht, entweder, wenn er erkannt würde, durch die Hand der Gerechtigkeit sein Leben zu verlieren, oder sich in der Gruft, deren Lage er wohl kannte, mit seiner Geliebten einzuschließen und dort zu sterben. Diesem letzten Plane war das Schicksal günstig; denn am Abend des auf Giuliettas Beisetzung folgenden Tages kam er

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