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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
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nach Verona, ohne von jemand erkannt zu werden, und wartete die Nacht ab. Als er nun alles in Schweigen begraben sah, begab er sich nach dem Minoritenkloster, wo die Gruft sich befand.
    Die Kirche stand in der Zitadelle, wo damals diese Mönche wohnten. Später haben sie dieselbe, ich weiß nicht aus welchem Grunde, verlassen und sich in die Vorstadt von San Zeno gezogen, in das Kloster, das jetzt San Bernardino heißt, wiewohl es früher dem Sankt Franz angehörte. An den Mauern dieses Klosters befanden sich damals außerhalb einige große steinerne Särge, wie wir sie an vielen Orten außerhalb der Kirchen finden. Einer derselben war das alte Begräbnis aller Cappelletti, und daselbst war auch das schöne junge Weib. Daran lehnte sich Romeo (es mochte etwa um vier Uhr der Nacht sein), hob, da er sehr kräftig war, mit Gewalt den Deckel hinweg, und nachdem er ihn mit ein paar Hölzern, die er mitgebracht, so gestützt hatte, daß er gegen seinen Willen nicht zufallen konnte, trat er hinein und schloß sodann den Sarg. Der unglückselige Jüngling hatte eine Blendlaterne mitgebracht, um seine Frau noch ein wenig zu sehen. Sobald er in der Gruft verschlossen war, zog er diese hervor und machte sie auf. Da sah er denn seine schöne Giulietta unter Knochen und Fetzen von vielen Toten selbst wie tot liegen. Darüber brach er alsbald in heftige Tränen aus und fing also an: O ihr Augen, die ihr meinen Augen helle Lichter wäret, solange es dem Himmel gefiel! O Mund, von mir tausendmal so süß geküßt, und von dem man so kluge Worte vernommen! O schöne Brust, die mein Herz in solcher Wonne beherbergt! Nun ich euch hier blind, stumm und kalt wiederfinde, wie soll ich ohne euch sehen, sprechen und leben? Ach meine unglückliche Frau, wohin hat dich die Liebe geführt, deren Wille es ist, daß ein so enger Raum zwei betrübte Liebende vernichte und beherberge? Weh mir, waren das die Vorspiegelungen der Hoffnung und der Sehnsucht, die mich zuerst in Liebe zu dir entflammten? O mein unseliges Leben, was soll nun dein Leitstern sein?
    Bei diesen Worten küßte er ihr Augen, Mund und Brust und wollte ganz in Tränen zerschmelzen. Unter seinem Weinen rief er: Ihr Mauern, die ihr über mir steht, warum fallt ihr nicht über mich her, mein Leben abzukürzen? Aber da ja offenbar der Tod einem jeden in seine Gewalt gegeben ist, wäre es doch gewiß höchst niederträchtig, ihn zu wünschen und nicht zu nehmen.
    Darum zog er das Fläschchen mit der scharfgiftigen Flüssigkeit, das er im Ärmel verwahrte, heraus und fuhr also zu sprechen fort: Ich weiß nicht, welches Geschick mich dahin führt, daß ich auf meinen Feinden, auf den von mir Erschlagenen in ihrem Grabe sterben muß. Da aber neben unserer Geliebten zu sterben eine Wonne ist, mein Herz, so laß uns sterben!
    Damit setzte er das grausame Wasser an die Lippen und schlang es ganz hinunter. Darauf nahm er das geliebte Weib in die Arme, drückte sie fest an sich und sprach: O schöner Leib, letztes Ziel aller meiner Sehnsucht, wenn dir ein Gefühl übriggeblieben ist nach der Seele Scheiden, oder wenn sie meinen grausen Tod sieht, so bitte ich dich, es möge ihr nicht mißfallen, wenn ich nicht glücklich und vor aller Welt mit dir leben durfte, daß ich wenigstens insgeheim und traurig mit dir sterbe.
    Und so erwartete er, sie eng umfaßt haltend, den Tod. Endlich war die Stunde gekommen, wo die Lebenswärme der jungen Frau die gewaltige erstarrende Kraft des Pulvers überwinden und sie wieder erwachen mußte. Gedrückt und gerüttelt von Romeo, erwachte sie daher in seinen Armen, und als sie wieder bei sich war, sagte sie nach einem schweren Seufzer: Weh mir, wo bin ich? Wer umfaßt mich Unglückliche? Wer küßt mich?
    Sie meinte, es sei der Bruder Lorenzo, und rief: So also, Mönch, haltet Ihr Romeo Treue? Auf diese Weise also wollt Ihr mich sicher zu ihm führen?
    Als Romeo merkte, daß die Frau lebe, verwunderte er sich sehr, erinnerte sich vielleicht des Pygmalion und sagte: Kennt Ihr mich nicht, meine süße Frau? Seht Ihr nicht, daß ich Euer betrübter Gatte bin, allein und heimlich von Mantua gekommen, um bei Euch zu sterben?
    Als Giulietta merkte, daß sie in der Gruft war und einem Manne in den Armen lag, der sich für Romeo ausgab, kam sie fast von Sinnen. Sie drückte ihn etwas von sich und schaute ihm ins Gesicht, und da sie ihn sogleich erkannte, umarmte sie ihn, gab ihm tausend Küsse und sprach: Welche Torheit bewog Euch, hier hereinzukommen und mit solcher

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