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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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wissen.
    Darauf antwortete der Mönch: Mein Fürst, ich will das Euer Gnaden recht gerne sagen. Ich war der Beichtvater der Tochter des Messer Antonio Cappelletti, die vor einigen Tagen auf so unerwartete Weise gestorben ist, und da ich sie sehr liebte als meine geistliche Tochter und mich nicht bei ihrer Leichenfeier einfinden konnte, ging ich hin, um über ihr gewisse Gebete zu sprechen, die, wenn sie neunmal über einem Leichnam gesprochen werden, die Seele von der Pein des Fegefeuers erlösen. Weil wenige dies wissen und diese Dinge verstehen, sagen die Toren, ich sei hingegangen, um die Toten zu berauben. Ich weiß nicht, ob ich zu einer Räuberbande gehöre, wenn ich diese Dinge tue. Mir genügt dieser geringe Mantel und dieser Strick, und ich würde von allen Schätzen der Lebenden zusammen kein bißchen nehmen, geschweige denn von den Kleidern zweier Toten. Sie tun nicht wohl, die mich auf solche Weise tadeln.
    Der Fürst hätte dies um ein kleines geglaubt, wenn nicht viele Mönche, welche dem Lorenzo übelwollten, als sie hörten, daß man Bruder Lorenzo auf dem Grabe gefunden habe, Lust bekommen hätten, dasselbe zu öffnen. Sie machten es auf, und als sie den Leichnam des Liebhabers darin fanden, wurde es plötzlich mit größtem Lärm dem Fürsten, der noch mit dem Mönche sprach, gemeldet, wie in der Gruft der Cappelletti, an der der Bruder bei Nacht betroffen worden sei, Romeo Montecchi tot liege. Dies schien allen fast unmöglich, und das Erstaunen war allgemein.
    Als der Bruder Lorenzo dies hörte und einsah, daß er nun nicht mehr verschweigen könne, was er so gern verhehlt hätte, fiel er vor dem Fürsten auf die Knie und sagte: Verzeiht mir, mein Fürst, wenn ich Euer Gnaden auf Euer Begehren eine Täuschung erwidert habe: denn es geschah nicht aus Bosheit noch um Gewinnes willen, sondern um zwei armen gestorbenen Liebenden mein Wort zu halten.
    So machte er denn von dem ganzen Hergang einen kurzen Abriß und erzählte die Geschichte vor vielen Zeugen. Als Bartolommeo della Scala dies hörte, konnte er sich vor Mitleid der Tränen nicht enthalten; er begehrte selbst die Leichen zu sehen und begab sich mit einer großen Menge Volks an das Grab. Er ließ die beiden Liebenden herausbringen in die Kirche von San Francesco und auf zwei Teppiche legen. Unterdessen kamen ihre Väter auch in die Kirche, vergossen Tränen über ihren gestorbenen Kindern, und in doppelt regem Erbarmen schlossen sie, obgleich bisher Feinde, sich in die Arme, so daß die lange Feindschaft, die zwischen ihnen und ihren Häusern bestanden hatte, und die nicht Bitten von Freunden noch Drohungen des Fürsten noch erlittener Schaden noch selbst die Zeit hatten auslöschen können, durch den erbärmlichen und kläglichen Tod der beiden Liebenden eine Endschaft erreichte. Es wurde ein schönes Denkmal bestellt, auf welches in wenigen Tagen die Ursache ihres Todes eingegraben werden sollte, und so wurden die zwei Liebenden mit größter würdigster Feierlichkeit unter den Tränen und dem Geleite des Fürsten, der Verwandten, ja der ganzen Stadt beigesetzt.«
    Dieses klägliche Ende hatte die Liebe Romeos und Giuliettas, wie ihr gehört habt, und wie mir es Pellegrino von Verona mitteilte. – O du treue Liebe, die du in den Frauen vor alters waltetest, wohin bist du gekommen? In welcher Brust herbergst du heutzutage? Welche Frau würde es jetzo machen, wie die treue Giulietta bei der Leiche ihres Geliebten? Wann wird der schöne Name dieser Frau von den gewandtesten Zungen aufhören gepriesen zu werden? Wie viele gäbe es jetzt, die den Geliebten nicht so bald sterben sähen, als sie schon daran dächten, einen andern aufzufinden, geschweige an seiner Seite zu sterben? Denn wenn ich sehe, daß gegen alle Forderung der Vernunft, zum Lohn für alle Treue und redliche Dienste, manche Frauen ihre Liebhaber, die sie sonst heiß geliebt, nicht nach dem Tode, sondern schon nach einem Schlage des Geschicks vergessen und verlassen, – was soll man von ihnen erwarten, daß sie nach dem Tode tun werden? Wehe den Liebhabern unserer Zeit, die weder für lang erprobte treue Dienste noch dadurch, daß sie den Tod für ihre Damen wagen, hoffen dürfen, daß diese mit ihnen sterben möchten, vielmehr sich überzeugt halten können, ihnen weiter hinaus nicht mehr teuer zu sein, als solange sie rüstig für Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu wirken imstande sind!

Matteo Bandello
1480 – 1561

Unüberwindliche Großmut
    Man hat oftmals unter

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