Italienische Novellen, Band 1
seinem König nicht nur auf gleiche Linie stellen, sondern er suche sogar mit aller Macht es ihm zuvorzutun und ihn zu übertreffen.
Eines Tages nun ließ sich der König das Schachbrett bringen und wollte mit Ariabarzanes eine Partie Schach spielen. In damaliger Zeit stand bei den Persern das Schachspiel im höchsten Ansehen, und ein guter Spieler war so geachtet wie heutzutage unter uns ein gewandter Kämpfer in wissenschaftlichen und philosophischen Streitigkeiten. Sie saßen also einander gegenüber an einem Tische im königlichen Saale, in dem sehr hohe Personen sich befanden, die ihrem Spiele aufmerksam und schweigend zusahen, und fingen an, so gut sie konnten, sich mit den Schachfiguren zu befehden. Ariabarzanes, sei es, daß er besser spielte als der König, oder daß der König nach wenigen Zügen die Aufmerksamkeit auf das Spiel verlor, oder was immer der Grund sein mochte, – Ariabarzanes brachte den König dahin, daß er nicht anders konnte, als daß er in zwei bis drei Zügen schachmatt werden mußte. Als der König dies merkte und die Gefahr einsah, matt zu werden, rötete sich sein Gesicht ungewöhnlich; er sann nach, ob nicht noch ein Ausweg möglich wäre, um die Niederlage zu vermeiden, und außer der Röte, die man in seinem Gesichte gewahr wurde, merkten alle Zuschauer des Spieles an seinem Kopfschütteln und an andern Gebärden und Seufzern, wie leid es ihm tat, so weit gekommen zu sein. Dem Seneschall entging das nicht, und er konnte den Anblick der ehrenvollen Beschämung seines Königs nicht ertragen; er machte daher einen Zug mit seinem Springer, der dem König so Bahn öffnete, daß er ihn nicht nur aus der Gefahr befreite, in der er schwebte, sondern noch einen Turm preisgab. So stand das Spiel wieder gleich. Der König kannte den Edelmut und die hohe Gesinnung seines Dieners, die er sonst schon hinreichend erprobt hatte, genau; er tat, als habe er nicht bemerkt, daß er den Turm nehmen könne, warf die Figuren um, stand auf und sagte: »Genug, Ariabarzanes! Das Spiel ist Euer, ich gebe mich überwunden.«
Es fuhr dem Artaxerxes durch den Sinn, Ariabarzanes habe dies nicht aus Großmut getan, sondern vielmehr, um sich seinen König zu verpflichten; das mißfiel ihm, und daher wollte er nicht mehr spielen. Doch ließ der König hernach weder in Winken noch in Handlungen noch in Worten sich anmerken, daß ihm diese Großmut seines Seneschalls mißfallen habe. Freilich hätte er allerdings gewünscht, daß Ariabarzanes sich solcher Handlungen enthalten hätte, wenn er mit ihm spielte oder sonst etwas mit ihm anfing; und wenn er den Großmütigen und Freigebigen machen wollte, so sollte er das gegen Untergebene oder Gleichstehende tun: denn es gefiel ihm nicht, daß ein Diener in Dingen der Großmut und Freigebigkeit sich auf gleiche Linie mit seinem Gebieter stellen wollte.
Es war einige Tage nach diesem Vorfall; der König befand sich in Persepolis, der Hauptstadt Persiens, und ordnete eine prächtige Jagd an nach Tieren, wie jene Gegend sie erzeugt, und die von den unsrigen sehr verschieden sind. Als alles in Ordnung gebracht war, begab er sich mit dem ganzen Hof an die Stelle der Jagd. Ein großer Teil des Waldes war umstellt von Netzen und gelegten Schlingen, der König verteilte das Personal seiner Jäger, wie es ihm geeignet schien, und ließ nun mit Hunden und Hörnern die Tiere aus ihren Höhlen und Löchern aufscheuchen. Plötzlich sprang ein wildes Tier sehr ungestüm und gewandt hervor, übersprang mit einem Satze die Netze und begab sich eiligst auf die Flucht. Der König sah das seltsame Tier und beschloß, es zu verfolgen und zu erlegen. Er winkte daher einigen seiner Barone, daß sie gemeinschaftlich mit ihm dem Tiere nachsetzten, ließ seinem Pferde die Zügel und schickte sich an, ihm nachzueilen. Einer der Barone, die mit dem König dem Tier nachsetzten, war Ariabarzanes. Es fügte sich, daß damals der König gerade ein Pferd ritt, das ihm wegen seines besonders schnellen Laufes so lieb war, daß er tausend von seinen andern drangegeben hätte, um dieses zu retten, und um so mehr, als es außer der Schnelligkeit seines Laufes für Gefechte und Waffentaten besonders geschickt war. Während er nun mit verhängtem Zügel das eilende oder eigentlich fliegende Tier verfolgte, entfernten sie sich weit von der Gesellschaft und beschleunigten ihren Lauf so sehr, daß der König nur noch den Ariabarzanes bei sich behielt, und hinter ihm folgte einer von den Seinigen, den er bei
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