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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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gelehrten und dem Hofdienste lebenden Männern die Frage aufgeworfen, ob eine preiswürdige Handlung oder eine ritterliche und edelmütige Tat, die ein Hofmann gegen seinen Gebieter übt, Edelmut und Ritterlichkeit genannt werden darf, oder ob es vielmehr nur Pflicht und Schuldigkeit ist. Und der Streit über diesen Gegenstand ist nicht ohne Belang: denn vielen steht es fest, daß der Diener seinem Herrn den ganzen Tag über nicht so viel leisten kann, daß er nicht noch weit mehr zu tun verpflichtet wäre. Denn wenn er etwa nicht die Gunst seines Königs besitzt und sie doch besitzen möchte (wie jeder Diener tut), – was darf er je zu tun unterlassen, wie schwer es auch sei, damit er die ersehnte Gnade erlange? Sehen wir nicht viele, die, um sich ihren Fürsten günstig zu stimmen, ihr eigenes Leben tausend Wagnissen, ja oft tausend Gefahren des Unterganges ausgesetzt haben? Wenn er sich nun in Gunst befindet und erkennt, daß er von seinem Fürsten geliebt wird, – wie viele Mühen und Beschwerden muß er dulden, um sich in Ansehen zu erhalten und die erworbene Gunst zu bewahren und zu erhöhen? Ihr wißt, es ist ein allgemeines Sprichwort, das ein geistreicher Dichter verherrlicht hat, daß Erworbenes erhalten keine geringere Tugend sei als das Erwerben selbst. Manche behaupten nun im Gegenteil und bemühen sich, es mit den stärksten Gründen zu beweisen, daß alles, was der Diener über seine Schuldigkeit tut und über die Verpflichtung hinaus, die er hat, seinem Herrn zu dienen, als freiwillige Leistung anzusehen sei, die geeignet ist, seinen Gebieter sich zu verpflichten und zu neuen Wohltaten zu ermuntern. Sie gehen von der Ansicht aus, daß, sooft einer sein Amt versieht, wozu er von seinem Herrn angewiesen ist, und es mit allem Eifer und in der Art tut, wie es sich gehört, er seiner Pflicht genügt hat und von ihm den gebührenden Lohn verdient. Doch da wir hier nicht beisammen sind zu disputieren, sondern zu erzählen, lassen wir nunmehr den Streit beiseite, und ich beabsichtige über das, was ein mannhafter König getan, euch eine Geschichte mitzuteilen. Wenn nach Beendigung derselben vielleicht jemand ausführlicher darüber zu sprechen geneigt ist, so bleibt ihm ja, dünkt mich, noch immer das Feld offen, um nach Herzenslust ein paar Sträuße zu bestehen.
    Es lebte also im Königreich Persien einst ein König namens Artaxerxes, ein Mann von großem Mute und sehr geübt in den Waffen. Er war dem Berichte der persischen Geschichtsbücher zufolge anfangs nur ein gewöhnlicher Soldat, der keinen militärischen Rang im Heere führte, und brachte als solcher den Artaban, den letzten König der Arsaziden, um, unter dem er diente. Er gab den Persern auf etwa fünfhundertachtunddreißig Jahre die Herrschaft über Persien zurück, die nach dem Tode des Darius, den Alexander der Große besiegt hatte, in den Händen der Mazedonier und anderer Völker gewesen war. Nachdem er also ganz Persien befreit hatte und vom Volke zum König erwählt worden war, hielt er Hof mit Pracht und unter tugendhaften Handlungen. Er war äußerst glänzend in all seinem Tun und galt deswegen, neben dem in blutigen Schlachten mannhaft erworbenen Ruhm, im ganzen Morgenland für den edelmütigsten und großherzigsten König, der in seiner Zeit auf einem Throne saß. In seinen Gastmahlen war er ein zweiter Lukuli und ehrte hoch die Fremden, die zu ihm an den Hof kamen.
    Dieser König hatte an seinem Hofe einen Seneschall mit Namen Ariabarzanes, dessen Amt es war, sooft der König öffentlich eine Mahlzeit veranstaltete, auf einem weißen Rosse mit einer goldenen Keule in der Hand den Knappen voranzureiten, die die Speisen des Königs in goldenen Gefäßen mit feinster Leinwand bedeckt trugen, und diese Tücher waren durchaus gestickt und mit Seide und Gold in der schönsten Arbeit durchwirkt. Dieses Amt des Seneschalls war sehr geachtet und wurde gemeiniglich einem der ersten Barone des Reichs übertragen. Der besagte Ariabarzanes nun war von der edelsten Abstammung und so reich, daß fast niemand ihm an Reichtum im Reiche gleichkam, und überdies der feinste und freigebigste Ritter, der an diesem Hofe lebte; ja, er machte oft so sehr den Großmütigen und gab so ohne Rückhalt weg, daß er die Mittelstraße verließ, worin alle Trefflichkeit besteht, oftmals zu den äußersten Punkten sich neigte und in das Laster der Verschwendung verfiel. Es hatte daher gar oft den Anschein, als wollte er in den Werken der Höflichkeit sich mit

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