Italienische Novellen, Band 1
verzieh ihm, ließ von dem besagten Gelde eine neue Abschrift von jenen Papieren machen und prozessierte mit dem Reste lustig drauflos.
Darum muß man über nichts in der Welt verzweifeln, denn gar oft gibt das Glück ebenso wieder, wie es nimmt. Wer hätte sich eingebildet, daß die im Wasser verlorenen Papiere wiederersetzt werden sollten durch einen Wolf, der seinen Schwanz durch das Spundloch eines Fasses steckte und sich so fangen lassen mußte? Gewiß, dies ist ein Fall und ein Beispiel, das nicht nur lehrt, daß man nicht verzweifeln darf, sondern daß man, was auch kommen mag, weder trostlos noch verdrießlich werden soll.
Gonnellas Heimkehr
(Eulenspiegel)
Der Markgraf Obizzo von Ferrara befahl eines Tages dem Hofnarren Gonnella, entweder weil er eine Kleinigkeit gegen ihn verbrochen hatte, oder weil er sich einen Spaß mit ihm zu machen gedachte, mit ausdrücklichen Worten, er solle sich auf seinem Grund und Boden nicht mehr betreffen lassen, widrigenfalls ihm das Haupt abgeschlagen werde. Kaum hatte dies Gonnella vernommen, so begab er sich nach Bologna, mietete sich einen Rollwagen, füllte denselben mit bolognesischer Erde an, und nachdem er mit dem Wagenführer über den Preis einig geworden war, bestieg er denselben und kehrte auf diesem Rollwagen zurück vor den Markgrafen Obizzo. Als dieser den Gonnella in solcher Weise zurückkehren sah, wunderte er sich und sprach: »Gonnella, habe ich dir nicht verboten, meinen Grund und Boden wieder zu betreten, und nun wagst du es, auf einem Rollwagen vor mir zu erscheinen? Was soll das heißen? Verachtest du meine Gebote?«
Zugleich befahl er seiner Dienerschaft, ihn zu verhaften. Aber Gonnella sprach: »Mein Gebieter, hört mich um Gottes willen an und laßt mir Recht widerfahren! Wenn Ihr findet, daß ich im Unrecht bin, sollt Ihr mich an den Galgen hängen lassen.«
Der Markgraf war neugierig, zu hören, was er sagen werde, denn er erwartete wohl, daß wieder ein frischer Witz komme. Er rief also seinen Dienern zu: »Verzichtet eine Weile und laßt ihn reden!«
Da begann Gonnella und sprach: »Herr, Ihr befahlt mir, Euren Grund und Boden nicht mehr zu betreten, weshalb ich mich eilends nach Bologna begab und diesen Wagen mit bolognesischem Grund und Boden füllen ließ. Diesen betrat und betrete ich noch jetzt und nicht den Euren noch den von Ferrara.« Als der Markgraf dies hörte, nahm er diesen Grund mit großer Ergötzung für gültig an und sprach: »Gonnella, du bist eine sinntäuschende Nachtjacke ( gonnella ), so bunt und schillernd von Farbe, daß mir weder List noch Kunst gegen deine Bosheit aushilft. Bleibe, wo es dir beliebt, denn ich lasse dir den Sieg.«
Und durch diese spaßhafte List gewann er die Erlaubnis, in Ferrara zu bleiben, schickte den Rollwagen nach Bologna zurück und galt beim Markgrafen nur noch mehr als zuvor.
Die Entbindung
Zu meiner Zeit war Pfarrer einer Kirche in Castello im Gebiet von Florenz einer, der Ser Tinaccio hieß, der schon alt war, aber in vergangenen Zeiten als Freundin oder Feindin ein schönes Mädchen aus der Vorstadt Ognissanti besessen und von ihr eine Tochter gehabt hatte, die in besagter Zeit sehr schön und heiratsfähig war; und überall redete man davon, die Nichte des Pfarrers wäre ein hübsches Ding.
Nicht weit von da wohnte ein Jüngling, dessen Namen und Familie ich verschweigen will, der besagtes Mädchen öfter gesehen hatte. Da er sich in sie verliebt hatte, dachte er sich eine schlaue List aus, um mit ihr zusammenzusein, und stellte es folgendermaßen an.
Eines Abends, bei regnerischem Wetter, als es schon sehr spät war, verkleidete er sich als Bäuerin, und nachdem er sich ein Halstuch umgelegt hatte, stopfte er sich mit Stroh und Tüchern aus, die ihm das Aussehen gaben, als ob er schwanger sei und sein Leib bis zum Halse reiche; und er ging in die Kirche, um zu beichten zu verlangen, wie es die Frauen tun, wenn sie unmittelbar vor der Entbindung stehen. Als er in der Kirche ankam, war es die erste Stunde der Nacht; er klopfte an die Tür, und als der Meßdiener kam, um aufzumachen, fragte er nach dem Pfarrer. Der Meßdiener sagte: »Er ist vor kurzer Zeit weggegangen, um jemand das Abendmahl zu geben, wird aber bald wiederkommen.«
Die schwangere Frau sagte: »O weh, ich Unglückliche, ich bin ganz schwach!« Und indem sie sich oft das Gesicht mit einem Tuch abwischte, mehr, um nicht erkannt zu werden, als wegen des Schweißes, den sie auf dem Gesicht hatte, ließ sie sich ganz
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