Italienische Novellen, Band 1
Nacht wie Schweine.
Als sie am Morgen aufstanden, sagte der eine: »Was fangen wir nun an?«
Der andere antwortete: »Der Himmel muß sich wider uns verschworen haben; denn da mir diese Nacht keine Silbe von dem ganzen Auftrage eingefallen ist, so glaube ich auch nicht, daß er mir je wieder ins Gedächtnis kommt.«
»Meiner Treu«, versetzte jener, »mit uns sieht es nicht zum besten aus. Ich weiß gar nicht, was das heißen soll, ob es dieser Wein oder etwas anderes ist. Ich habe mein Leben lang noch nie so fest geschlafen, ohne mich wieder ermuntern zu können, wie heute Nacht in diesem Wirtshause. Was zum Teufel soll das heißen?«
»Laß uns zu Pferde steigen«, sagte der andere, »und in Gottes Namen weiterreiten! Vielleicht fällt es uns unterwegs ein.«
So setzten sie denn ihre Reise fort und sagten unterwegs oft zu einander: »Ist es dir eingefallen?«
Der andere: »Mir nicht.«
»Mir auch nicht«, sagte der erste.
Auf diese Art kamen sie in Arezzo an und gingen in das Wirtshaus, wo sie sich oft abseits in eine Kammer begaben, die Backen auf die Hände gestützt, aber niemals sich auf die Sache besinnen konnten. Da sagte einer zuletzt, fast verzweifelnd: »Gehen wir geradezu hin! Gott möge uns beistehen!«
Der andere aber sagte: »Wie sollen wir denn aber mit ihm reden, wenn wir nicht wissen, was?«
Der erstere aber antwortete: »Auf diesem Punkte kann die Sache nun doch einmal nicht bleiben.«
So ließen sie es denn auf das Geratewohl ankommen und gingen zum Bischof, und als sie vor ihm standen, machten sie eine tiefe Verbeugung und blieben dabei stehen, ohne es zu etwas anderm zu bringen. Der Bischof war ein wackerer, ansehnlicher Herr, erhob sich und ging auf sie zu, nahm sie bei der Hand und sagte: »Seid willkommen, meine Kinder! Was bringt ihr Neues?«
Einer schaute den andern an: Sprich du!
Sprich du!
Aber keiner von beiden redete ein Wort. Am Ende aber sagte der eine: »Herr Bischof, wir sind abgesandt an Euer Gnaden von Euren ergebenen Dienern in der Casentiner Landschaft; aber die, welche uns abschickten, sind ebenso unbeholfen wie wir, die Abgesandten, und sie überbrachten uns unsern Auftrag spät abends in großer Hast. Was nun schuld sein mag, entweder wußten sie es uns nicht recht zu sagen, oder wir waren zu ungeschickt, es zu verstehen. Wir bitten Euch demnach inständig, Ihr möget Euch diese Gemeinden und ihre Mitglieder empfohlen sein lassen; die aber mögen meuchlings umkommen, die uns hierher gesandt haben, und wir selber, daß wir hergekommen sind!«
Der verständige Bischof legte ihnen die Hand auf die Schulter und sagte: »Geht in Frieden wieder heim und sagt meinen lieben Kindern im Casentino, ich sei immer darauf bedacht, für ihr Bestes alles zu tun, was in meinen Kräften stehe. Damit sie sich aber hinfort nicht mehr in die Unkosten einer Gesandtschaft versetzen, mögen sie, sooft sie etwas von mir wollen, an mich schreiben, und ich will ihnen meine Antwort brieflich zukommen lassen.«
Darauf nahmen sie Abschied und gingen.
Unterwegs sagte einer zum andern: »Hüten wir uns, daß es uns nicht auf dem Rückweg ebenso ergeht wie auf dem Herweg!«
Der andere aber sagte: »Ach, was haben wir denn im Gedächtnis zu behalten?«
»Nun«, sprach jener, »wir müssen doch darauf bedacht sein, wie wir ausrichten wollen, was wir hier auseinandergesetzt, und was wir zur Antwort erhalten haben. Denn wenn unsere Mitbürger im Casentino jemals erführen, daß wir ihren Auftrag so vergessen haben, und daß wir wie Gehirnlose wieder vor sie treten, so würden sie uns nimmermehr als Botschafter aussenden, ja uns gar kein Amt mehr anvertrauen.«
Der andere, der ein wenig schlauer war, sagte: »Überlaß diese Sorge nur mir! Ich werde ihnen sagen, wir haben uns unserer Sendung gegen den Bischof entledigt, und er habe sich gnädig darin und in allen Stücken erboten, immerdar ihr Wohl zu fördern, und um seine Liebe noch mehr zu betätigen, habe er gesagt, zu Ersparung von Kosten sollen sie, sooft sie etwas von ihm brauchen, es mit gehöriger Ruhe und Bequemlichkeit in einem einfachen Briefe schreiben und die Gesandtschaften unterlassen.«
»Das hast du gut ausgesonnen«, sagte der andere. »Wir wollen schneller reiten, damit wir bei guter Zeit wieder zu dem Wein kommen, weißt du!«
So spornten sie ihre Pferde und kamen in das Gasthaus, und als ein Knecht herauskam, um ihnen den Steigbügel zu halten, fragten sie nicht nach dem Wirte, noch ob er zu essen habe, sondern ihr
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