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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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Platze eine Richtstätte aufgeschlagen, ganz bedeckt mit schwarzen Tüchern, und ihr gegenüber eine andere, die mit Purpur und Seide überkleidet war, woselbst der König, wenn er will, sich unter den Richtern niederläßt und, nachdem dem Schuldigen der Prozeß gelesen ist, aus eigenem Munde befiehlt, daß der Spruch ausgeführt werde, oder auch, wenn es ihm gutdünkt, den Verurteilten befreit und losspricht. Wenn aber der König nicht selbst bei dem Urteile gegenwärtig sein will, so versieht der älteste der Richter, nach eingeholter Willensmeinung des Königs, sogleich das Ganze in seinem Namen. Der König, dem es in der Tat leid war, daß ein so hochherziger Mann, der ihm so genau bekannt, sein Schwiegervater und Eidam war, ein so schauderhaftes Ende nehmen sollte, wollte an jenem Morgen bei dem Ganzen gegenwärtig sein, teils um die Haltung des Ariabarzanes zu sehen, teils auch, um einen Ausweg zu seiner Errettung zu finden.
    Ariabarzanes ward also von den Häschern des Gerichts auf die Richtstätte geführt und prachtvoll gekleidet; sodann ward ihm die Lorbeerkrone auf das Haupt gesetzt. Aber so blieb er nicht lange: die reichen Kleider und der Kranz wurden ihm abgenommen und seine gewöhnlichen Kleider wieder angelegt. Der Scharfrichter erwartete den letzten Befehl, um seine Pflicht zu tun, und hatte schon das scharfe Schwert hoch erhoben, als der König den Ariabarzanes fest ins Auge faßte, welcher seine Gesichtsfarbe nicht mehr und nicht weniger veränderte, als wenn die Sache ihn gar nicht beträfe; und doch mußte er vernünftigerweise annehmen, daß der Henker im Begriffe stehe, ihm den Kopf abzuschlagen.
    Als der König die große Beständigkeit und den unbesiegten Mut des Ariabarzanes sah, sprach er mit lauter Stimme, so daß alle es hörten, also: »Ariabarzanes, wie du wissen kannst, bin ich nicht derjenige, der dich zum Tode verurteilt hat; sondern deine ordnungswidrigen Handlungen und die Gesetze dieses Reichs haben dich auf diesen Punkt gebracht. Und da unsere heiligen Gesetze mir die Freiheit geben, jeden verurteilten Schuldigen, wie mir scheint, ganz oder teilweise freizusprechen und in den früheren Gnadenstand aufzunehmen, will ich, wofern du dich besiegt geben willst und nicht verschmähst, das Leben von mir als Geschenk zu empfangen, dir die Todesstrafe erlassen und dich deinen Ämtern und Würden zurückgeben.«
    Als Ariabarzanes diese Worte hörte, welcher knieend mit gesenktem Kopfe erwartete, daß ihm der Todesstreich gegeben würde, schaute er auf, kehrte sich zum König und beschloß – da er überlegte, zu dem herben Schritte habe ihn nicht Bosheit von Seiten des Königs geführt, sondern vielmehr der Neid und die giftigen Schlangenzungen seiner Feinde –, die erbarmungsvolle Großmut und Huld seines Gebieters anzunehmen, am Leben zu bleiben und seinen Feinden nicht die Genugtuung eines so bitteren Todes zu verschaffen. Daher sprach er in ganz ehrerbietiger Haltung mit fester und wohltönender Stimme also zum König: »Mein unüberwindlichster Gebieter, den ich gleich den unsterblichen Göttern verehre, da du nach deiner Gnade willst, daß ich lebe, so nehme ich von dir ehrfurchtsvoll das Leben als Geschenk hin, das ich jedoch, wenn ich glaubte im Leben deine Ungunst erdulden zu müssen, nicht annehmen würde, und gebe mich vollständig überwunden. Ich werde also am Leben bleiben, um das Leben, das du mir schenkst, ganz deinem Dienste zu widmen, damit ich es zum Frommen deiner heiligen Krone, wie ich es von deiner Großmut geliehen bekommen habe, dir immer, sobald du willst, wieder zurückgeben kann. Ich werde dies so bereitwillig tun, als ich es jetzt aufrichtig von dir annehme. Und da du geruht hast, mir so viele Gnade zu erweisen, möchte ich, wenn es dir nicht lästig ist, dir gerne hier öffentlich sagen, was mir jetzt in den Sinn kommt.«
    Der König gab ihm einen Wink, sich zu erheben und ihm zu sagen, was ihm angenehm sei.
    Er stand auf; es ward stille in der Menge, und er begann auf folgende Weise zu sprechen: »Zwei Dinge sind es, geheiligter Fürst, die ohne Widerrede den beweglichen Wellen des Meeres und der Unbeständigkeit der Winde in allen Stücken gleichen, und nichtsdestoweniger ist die Schar der Toren, die danach mit allem Fleiß und Eifer trachten, unendlich. Ich höre, es sei so fast immer. Nun sage ich also, daß diese beiden so sehr von jedem gewünschten Dinge sind: die Herrengunst und die Frauenliebe, und beide täuschen so oft den wahren Diener, daß er

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