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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
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so sollten sie den Urheber des Unwillens nach Beschaffenheit des Fehles mehr oder weniger hart bestrafen, sei es mit Verbannung, sei es mit Todesstrafe. Das Urteil dieser Männer wurde ohne Einsprache angenommen. Doch konnte freilich der König, wenn das Urteil gefällt war, ganz oder teilweise die Strafe vermindern oder den Schuldigen freisprechen. Es wurde daraus klar, daß der von den Räten gegebene Spruch die reine Gerechtigkeit, der Wille des Königs aber, wenn er jemand freisprach, Gnade und Barmherzigkeit war. Der König war also nach der Verfassung des Reichs gehalten, die Ursache seines Unwillens zu offenbaren. Er tat dies auch genau.
    Nachdem die Räte die Gründe des Königs gehört hatten, schickten sie nach Ariabarzanes, von dem sie durch gründliches Verhör vernehmen wollten, weshalb er dies und jenes getan habe. Die Herren Räte begannen nun über die vorgelegte Angelegenheit ihre Meinungen zu äußern; lange waren sie uneins in der Erforschung der Wahrheit der Sache; endlich aber nach langem Streite sprachen sie das Urteil, Ariabarzanes sollte den Kopf verlieren, teils weil er sich dem König habe gleichstellen, ja ihn übertreffen wollen, teils weil er keine Freude darüber, daß er eine Tochter seines Königs zur Frau bekommen, bezeugt und ihm nicht den gebührenden Dank für eine solche Huld ausgedrückt habe. Es war bei den Persern nämlich ein festes Herkommen: sooft in irgendeiner Tat oder Handlungsweise ein Untertan seinen Herrn zu übertreffen und es ihm zuvorzutun suchte, so löblich und würdig auch das Werk sein mag, so mußte er aus Rücksicht auf die dargelegte Geringschätzung der königlichen Majestät enthauptet werden, weil es eine allzu große Verletzung seines Gebieters wäre. Und um dieses ihr Urteil besser zu bestätigen, sagten diese Herren Räte, es sei früher schon von den persischen Königen eine solche Bestimmung ausgeführt worden und in ihren Annalen verzeichnet.
    Der Fall war folgender: Der König von Persien war mit vielen seiner Barone zu seiner Zerstreuung auf das Land gegangen; er hatte seine Falken bei sich und fing an, sie auf verschiedene Vögel loszulassen. Kurz darauf fanden sie einen Reiher. Der König befahl, einen der Falken, der für den besten galt von denen, die er bei sich hatte – denn er hatte eine große Ausdauer und stieg bis zu den Sternen empor –, auf den Reiher loszulassen. Als dies geschehen war, fing der Reiher an, sich zu heben, und der Falke verfolgte ihn rüstig. Während nun der Falke nach vielem Widerstreben den Reiher in die Klauen packen und festhalten wollte, erschien plötzlich ein Adler. Sobald der mutige Falke den Adler erblickte, wollte er mit dem schüchternen Reiher nicht weiterkämpfen, sondern wandte sich mit raschem Fluge zu dem Adler und fing an, ihm heftig nachzusetzen. Der Adler verteidigte sich sehr mutig, und der Falke strebte, ihn unter sich zu bekommen. Am Ende packte der brave Falke mit seinen scharfen Krallen den Adler am Halse und riß ihm den Kopf vom Rumpfe, so daß er mitten unter der Gesellschaft des Königs niederfiel. Alle Barone und Edelleute, die bei dem Könige waren, priesen dieses Verfahren höchlich und hielten den Falken für einen der besten in der Welt, erteilten ihm auch die Lobsprüche, die ihrer Ansicht nach für eine so hochherzige Handlung gebührten, so daß niemand war, der nicht den Falken außerordentlich anerkannt hätte. Der König aber, was auch die Barone und die andern sagten, sprach nicht ein Wort, sondern blieb nachdenklich stehen und hatte für den Falken weder Lob noch Tadel. Es war schon sehr spät, als der Falke den Adler umbrachte; darum befahl der König allen, in die Stadt zurückzukehren. Am folgenden Tage ließ der König von einem Goldschmiede eine sehr schöne goldene Krone von solcher Gestalt machen, daß man sie dem Falken aufsetzen konnte. Als ihm sodann die Zeit passend schien, befahl er, auf dem öffentlichen Platze der Stadt einen mit Teppichen und andern Zieraten geschmückten Katafalk zu errichten, wie es Sitte ist, solche königliche Balkone zu verzieren. Unter Trompetenschall ließ er den Falken dahin bringen, wo auf Befehl des Königs ein hoher Baron ihm die goldene Krone auf den Kopf setzte zum Lohne der vortrefflichen Beute, die er an dem Adler gemacht hatte. Andererseits kam aber der Scharfrichter herbei: der nahm dem Falken die Krone ab und schlug ihm mit dem Beile den Kopf ab. Über dieses widersprechende Verfahren waren alle Zuschauer höchlich betroffen,

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