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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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hebst, wenn du ihn erhöhst und selber neben ihm den Demütigen spielst, so ist er plötzlich dein Freund und heißt dich einen feinen und artigen Höfling. Nimm einen Wollüstling, der den geschlechtlichen Freuden ergeben ist und nach nichts anderem trachtet als nach dieser vergänglichen Lust: wenn du ihn nicht hinderst in seinen Liebschaften, wenn du seine Genüsse nicht tadelst, wenn du ihn in Gegenwart der Frauen lobst, so wird er immer dein Freund sein. Nimm einen Geizhals oder einen Schwelger: wenn du dem ersten eine Arznei von Geld zu verschlucken gibst und den andern oft zum Essen zu dir einlädst, so sind beide sogleich einverstanden. Nun nimm aber einen Neidischen! Welches Heilmittel wirst du finden, um so verzehrende Säfte abzuführen? Wenn du den Neid zu heilen suchst, so mußt du mit deinem Leben selbst abhelfen oder nicht denken, sonst irgendein Heilmittel dagegen zu finden. Und wer weiß nicht, wenn ein von dieser Pestkrankheit Befallener mich am Hofe von dir, geheiligtster König, mehr als sich begünstigt sieht, wenn er wahrnimmt, daß meine Dienste dir angenehmer sind, oder daß ich besser als er die Waffen zu führen verstehe oder in irgendeiner Hinsicht mehr gelte als er, und er wegen dieser Dinge mich beneidet, – wer weiß nicht, sage ich, daß ich diesen nicht anders heilen kann, als wenn er mich deiner Gnade beraubt, vom Hofe verjagt und in das äußerste Elend gestürzt sieht? Wenn ich ihm täglich die größten Geschenke mache, wenn ich ihm immer Ehre erweise, ihn lobe, soviel ich kann, und ihm jeden Dienst erweise, – alles ist umsonst. Niemals wird er aufhören, gegen mich zu wirken, bis er mich ins tiefste Unglück versetzt sieht: denn alle anderen Mittel sind schwach und wirkungslos. Dies ist die giftige Krankheit, die alle Höfe verpestet, allen tugendhaften Handlungen schadet und alle edlen Geister zu beleidigen sucht. Dies ist der finstere Schleier, der oft andern so sehr die Augen umdüstert, daß er sie die Wahrheit nicht sehen läßt und ihnen das Urteil so umnebelt, daß Recht und Unrecht nicht mehr zu unterscheiden ist: denn er ist eine offenbare Veranlassung, daß täglich tausend Irrtümer in den menschlichen Handlungen begangen werden. Um aber auf das zu kommen, was jetzt zunächst zu unserm Falle gehört, so ist überhaupt kein Fehler auf der Welt, der die Höfe mehr verderbte, das Band heiliger Genossenschaften auflöste und die Gebieter zugrund errichtete, als das Gift des Neides. Denn wer dem Neidischen sein Ohr leiht, wer auf seine boshaften Zettelungen horcht, kann unmöglich etwas Gutes tun. Um aber nun zum Schlusse meiner Rede zu gelangen: der Neidische freut sich nicht so sehr über sein eigenes Glück, genießt nicht so sehr seine eigenen Vorteile, als er fortwährend über fremdes Unglück jubelt und lacht und über fremden Vorteil weint und trauert; ja, um dem Nächsten zwei Augen aus dem Kopfe schlagen zu sehen, würde er sich gerne eines der seinigen ausreißen. Diese Worte, unüberwindlichster Fürst, wollte ich hier in Gegenwart deiner, deiner Satrapen und des Volkes aussprechen, damit jeder einsehe, daß ich bei deiner Krone nicht durch böse Gesinnung von dir oder durch meine Schuld, sondern durch die giftigen Zungen der Neider in Mißgunst gefallen bin.«
    Dem großherzigen König gefiel die freie Rede des Ariabarzanes, und so sehr er sich von seinen Worten getroffen fühlte, mußte er sie doch für wahr anerkennen, und darum, sowie weil sie künftig allen von Nutzen sein konnten, lobte er sie in Gegenwart aller.
    So hatte nun Ariabarzanes das Leben von seinem König zum Geschenk erhalten und sich besiegt gegeben; der König erkannte seine Trefflichkeit und Treue und liebte ihn aufrichtig; daher ließ er ihn denn von dem Katafalk herabsteigen und auf den, auf dem er selber sich befand, steigen, hieß ihn willkommen und küßte ihn zum Zeichen, daß jede Beleidigung ihm vergeben und verziehen war. Er befahl, daß ihm alle Ämter, die er zuvor zu verwalten pflegte, zurückgegeben wurden, und um ihn in noch bessere Umstände zu bringen, als worin er früher gewesen war, schenkte er ihm die Stadt Passagarda, worin das Grab des Cyrus sich befand, und setzte ihn in allen seinen Staaten und Herrschaften zum obersten Statthalter, dem jedermann wie ihm selbst gehorchen mußte. So blieb der König der geehrte Schwager und der liebende Eidam des Ariabarzanes, zog ihn bei allen seinen Handlungen zu Rate und tat nie etwas von Belang, ohne zuvor sein Gutachten

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