Italienische Novellen, Band 1
eingezogen zu haben.
Ariabarzanes war also mehr als zuvor in die Gunst seines Gebieters zurückgekehrt, hatte mit seiner Tugend alle seine Feinde überwunden und die Waffen des Neides zerbrochen und vernichtet. War er zuvor freundlich und freigebig gewesen, so wurde er nach so großer Erhebung noch viel fürstlicher; wenn er früher einmal Edelmut übte, so geschah es nunmehr zweimal; doch bewies er seine Großmut nur so und verfuhr in ihren Äußerungen mit solcher Mäßigung und Einschränkung, daß alle Welt deutlich erkennen konnte, daß er nicht, um mit seinem Herrn zu wetteifern, sondern um ihn mehr zu ehren und um die Größe des Hofes seines Königs besser ans Licht zu stellen, die ihm vom König und dem Glücke geschenkten Güter reichlich ausgab und anderen schenkte. Dies erhielt ihn bis zu seinem Lebensende in der Gunst seines Fürsten auf rühmliche Weise; denn der König erkannte so klar wie die Sonne, daß Ariabarzanes von der Natur zu einem leuchtenden Spiegel der Höflichkeit und Großmut gebildet war, und daß man leichter dem Feuer die Wärme und der Sonne das Licht nehmen könnte, als dem Ariabarzanes seine hochherzige Handlungsweise. Er hört daher nicht auf, ihn fortwährend zu ehren, zu erheben und zu bereichern, um ihm mehr die Möglichkeit zu geben, in Fülle zu verschenken. Und in der Tat, obwohl die beiden Tugenden der Freundlichkeit und Freigebigkeit jedermann gut anstehen und ohne sie einer kein echter Mensch ist, so ziemen sie doch ganz vorzüglich Reichen, Fürsten und großen Herren und nehmen sich an ihnen aus, wie auf feinem hellschimmerndem Golde morgenländische Edelsteine und wie an einer schönen holden Frau zwei schöne Augen und zwei elfenbeinerne schöne Hände, wie, edle Frau, Eure schönen Augen und Eure unvergleichlich schönen Hände.
Eine andere Lukretia
Unser Herr Pirro, Markgraf von Gonzaga, Herr von Gazuolo, das ihr hier am Ufer des Oglio an der Seite gegen den Po hin liegen sehet, der Sprößling der langen Reihe Gonzagischer Herrscher, begehrt, daß ich den merkwürdigen Vorfall mit dem Tode einer gewissen Giulia aus diesem Orte erzähle, der vor einiger Zeit vorgefallen ist. Übrigens könnte dieser hochgeborene Herr viel besser als ich den Hergang der Sache berichten, und hier sind noch viele andere, die dieser Aufgabe so gut als ich genügt und alles genau berichtet hätten. Aber da er mir befiehlt, daß ich den Erzähler mache, will und muß ich ihm gehorchen. Sehr leid tut es mir, daß ich nicht imstande bin, den edeln, mannhaften Geist Giulias zu preisen, wie es die von ihr vollbrachte seltene Tat verdient.
In der Zeit also, da der edle und weise Fürst, der hochgeborene und hochwürdigste Monsignor Lodovico Gonzaga, Bischof von Mailand, hier in Gazuolo wohnte, hielt er immer stattlichen Hof mit vielen ausgezeichneten Edelleuten, da er sich an den Tugenden erfreute und sehr reichlich Geschenke verteilte. Um diese Zeit blühte ein Mädchen von siebzehn Jahren namens Giulia, Tochter eines sehr armen Mannes aus der Gegend von der niedrigsten Abkunft, der nichts hatte, wenn er nicht den ganzen Tag mit seiner mühevollen Händearbeit sich, seiner Frau und seinen zwei einzigen Töchtern den Lebensunterhalt verdiente. Auch seine Frau, ein gutes Weib, bemühte sich sehr, durch Spinnen und ähnliche Handarbeiten etwas zu verdienen. Diese Giulia war sehr schön, mit anmutigem Wesen begabt und weit reizender und feiner, als ihrem niedern Blute zukam. Sie ging bald mit der Mutter, bald mit anderen Frauen auf das Feld, um zu hacken und andere Arbeiten zu verrichten, wie sie gerade nötig waren. Ich erinnere mich, daß ich einst mit der erlauchten Frau Antonia Bauzia, der Mutter dieser unserer hochwohlgeborenen Herren, nach San Bartolomeo ging, als uns diese Giulia begegnete, die mit einem Korbe auf dem Kopf ganz allein vom Felde nach Haus ging. Als die gnädige Frau das schöne Kind sah, das damals etwa fünfzehn Jahre alt sein mochte, ließ sie den Wagen halten und fragte das Mädchen nach ihrer Herkunft. Sie antwortete ehrerbietig, den Namen ihres Vaters nennend, und tat überhaupt den Fragen der Dame so großes Genüge, daß es schien, sie sei nicht in einem Bauernhause unter einem Strohdach geboren und erzogen, sondern habe ihre Jugend am Hofe in den besten Gesellschaften verlebt. Die gnädige Frau äußerte deshalb gegen mich, sie wolle sie ins Haus nehmen und mit andern Fräulein erziehen. Weshalb es nachher unterblieb, wüßte ich euch nicht anzugeben.
Um nun auf
Weitere Kostenlose Bücher