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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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Giulia zurückzukommen, so benützte sie an Werktagen ihre Zeit wohl und arbeitete immer entweder allein oder mit andern. An Festtagen sodann ging sie, wie es Gewohnheit dort ist, nach dem Mittagessen mit andern Mädchen zum Tanze und machte sich ein erlaubtes Vergnügen. An einem solchen Tage, als sie ungefähr siebzehn Jahre alt war, warf ein Kammerdiener des genannten Herrn Bischofs, ein Ferrarer, seine lüsternen Blicke auf das Kind, als er sie tanzen sah; sie deuchte ihm das schönste, reizendste Mädchen, das er seit langer Zeit gesehen hatte; sie schien, wie gesagt, in den gebildetsten Häusern erzogen, und er verliebte sich in sie so heftig, daß er seine Gedanken auf nichts anderes mehr wenden konnte. Als der Tanz, der dem Kammerdiener viel zu lang gedeucht hatte, zu Ende war und die Musik von neuem begann, forderte er sie auf und tanzte mit ihr die Gagliarde, weil sie diesen Tanz sehr gut und genau ausführte, so daß es eine wahre Freude war, ihre reizenden Bewegungen mit anzusehen. Der Kammerdiener kam wieder, um mit ihr zu tanzen, und hätte er sich nicht geschämt, so würde er keinen Tanz mit ihr versäumt haben; denn er glaubte, wenn er ihre Hand in der seinigen hielt, das größte Vergnügen zu fühlen, das er je empfunden. Und obschon Giulia den ganzen Tag arbeitete, so hatte sie doch eine weiße, schlanke und sehr weiche Hand. Der arme Verliebte, so plötzlich von ihr und ihrem reizenden Wesen entflammt, glaubte durch ihren Anblick die neue auflodernde Flamme, die ihn schon jämmerlich quälte, zu löschen; aber unvermerkt vermehrte er sie nach und nach immer mehr und goß durch die Beschauung Öl ins Feuer. In dem zweiten und dritten Tanze, den sie ihm erlaubte, flüsterte ihr der Jüngling manchen Witz und zärtliche Worte zu, wie neue Liebhaber zu tun pflegen. Sie gab ihm darauf immer kluge Antworten und sagte, er möge ihr nicht von Liebe reden, weil es ihr als einem armen Mädchen nicht gut anstehe, das Ohr solchen Märchen zu leihen. Weiteres konnte der zudringliche Ferrarer nicht aus ihr herausbringen. Nach Beendigung des Tanzes ging ihr der Ferrarer nach, um ihre Wohnung zu erfahren. In der Folge hatte er oft in Gazuolo und außerhalb der Stadt Gelegenheit, mit Giulia zu sprechen und ihr seine verzehrende Liebe zu entdecken; er bemühte sich fortwährend, seinen Worten Verständnis zu öffnen und ihre eiskalte Brust zu erwärmen. Aber was er auch zu ihr sagte, sie trat nicht im geringsten aus ihrem keuschen Rückhalte; vielmehr bat sie ihn inständig, sie in Ruhe zu lassen und nicht ferner zu quälen. Der schnöde Verliebte aber, dem der Wurm der Lust herb am Herzen nagte, entbrannte desto mehr, je härter und spröder sie sich zeigte; um so mehr verfolgte er sie, um so angelegentlicher wollte er sie seinen Lüsten geneigt machen: doch alles war vergebens.
    Er ließ durch eine vertraute Alte, die eine Heilige schien, mit ihr sprechen; sie besorgte ihr Geschäft sehr emsig und bemühte sich, durch schmeichlerische Worte den hartnäckigen Sinn der keuschen Giulia zu bestechen. Aber das Mädchen hatte so feste Grundsätze, daß kein Wort der alten Kupplerin Zutritt in ihre Brust fand. Als der Ferrarer dies hörte, wollte er verzweifeln; er konnte den Gedanken nicht fassen, auf sie zu verzichten, und hoffte immer, daß er durch Bitten, Dienstbezeugungen, Liebe und Ausdauer Giulias grausames Herz noch erweichen werde; es schien ihm unmöglich, daß er sie durch Geduld nicht erweichen sollte. Er machte, wie man im Sprichwort sagt, die Rechnung ohne den Wirt. Da er nun sah, daß sie von Tag zu Tag sich ihm mehr entziehe und, wenn sie ihn sah, ihn wie einen Basilisken meide und fliehe, wollte er versuchen, ob das, was Worte und Dienstleistungen nicht erreichen konnten, durch Geschenke zu erlangen wäre; Gewalt wollte er bis zum Ende aufsparen.
    Er sprach wieder mit der schändlichen Alten und gab ihr einige Dinge von geringem Werte, die sie Giulia von ihm bringen sollte. Die Alte ging und fand Giulia ganz allein zu Hause. Sie wollte anfangen, von dem Ferrarer zu sprechen, und zeigte ihr die Geschenke, die er ihr überschickte. Das ehrbare Mädchen nahm die Sächelchen, welche die Alte gebracht hatte, warf sie alle zur Tür hinaus auf die Straße, jagte die verräterische Alte aus dem Hause und sagte ihr, wenn sie es noch einmal wage, diese Sache in Anregung zu bringen, so werde sie auf das Schloß gehen und es Frau Antonia sagen. Die Alte nahm die Sachen von der Straße auf, ging zu dem Ferrarer

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