Italienische Novellen, Band 1
Trübsal zu schaffen habt, und darum wollte ich Euch um eine große Gefälligkeit ersuchen, nämlich, daß Ihr mir mit eigener schöner Hand ein Hemd säumen möchtet, das ich meinem Sohne schicken will, der mich darum gebeten hat.«
Die junge Frau versetzte: »Ihr hättet bei Euch erwogen, sagt Ihr, ich sei die glücklichste Frau in ganz Neapel?« »So ist es«, sprach Frau Corsina.
»So will ich Euch denn zeigen«, fuhr jene fort, »daß gerade das Gegenteil der Fall ist, indem ich Euch den Beweis liefere, daß nie ein unglücklicheres Weib geboren ward, die mehr Herzeleid und Kummer hatte als ich. Und damit Ihr Euch davon überzeugt, so kommt mit!« Hiermit nahm sie die Fremde bei der Hand und führte sie in ein Vorzimmer und zeigte ihr einen Jüngling, der mit dem Hals an einem Balken hing.
»O Gott, was ist das ?« rief Frau Corsina.
Die junge Frau holte einen tiefen Seufzer herauf und sprach: »Frau Corsina, das war ein trefflicher Jüngling, der sich in mich verliebt hatte. Mein Gemahl fand ihn eines Tages bei mir und hing ihn hier auf, wie Ihr ihn da seht, und was mich noch mehr schmerzt, jeden Abend und jeden Morgen zeigt er ihn mir, und ich muß ihn sehen: urteilt selbst, ob es mir beschwerlich und schmerzlich ist, ihn jeden Abend und jeden Morgen sehen zu müssen. Deshalb, wenn Ihr aus einem andern Grunde wünscht, daß ich Euch das Hemd nähe, so will ich es gerne tun, aber nicht, weil ich die glücklichste Frau sei: ich bin vielmehr die unseligste und beklagenswerteste, die je auf der Welt gelebt hat.«
Hierüber wunderte sich Frau Corsina sehr und sprach: »Ich sehe wohl, daß es keine Frau gibt, die nicht Leid und Kummer trage, und die am meisten, die am heitersten scheint.« Und so nahm sie Abschied von der jungen Frau, ging nach Hause und schrieb ihrem Sohne, er möge entschuldigen, daß sie ihm das Hemd nicht schicken könne, denn sie finde keine, die nicht Kummer und Leid habe, so viel sie nur tragen könne.
Wenige Tage darauf aber meldete ihr ein Brief den Tod ihres Sohnes; da sprach sie als eine verständige Frau zu sich selber: »Ich sehe wohl, daß es keine Frau in der Welt gibt, die keinen Kummer hätte. Auch die Jungfrau Maria hatte Kummer, die doch die Frau aller Frauen war. Darum will ich mich zufrieden geben, da ich sehe, ich bin es nicht allein. Gott verzeihe ihm und vergesse meiner nicht!«
Und hiermit beruhigte sie sich und lebte zufrieden und glücklich.
Nicolosa
Es lebten einst in Florenz – und sie leben noch heute – zwei sehr vornehme Familien, von denen die eine sich Buondelmonti, die andere Acciaiuoli nennt. Ihre Häuser liegen einander gerade gegenüber in einer Straße, die Borgo Santo Apostolo heißt; und beide sind gute, alte Familien. Nun geschah es, daß sie infolge eines bestimmten Streites, der zwischen ihnen entstand, Todfeinde wurden, so daß beide Teile immer mit den Waffen ausgingen, indem sie sich voreinander vorsahen, und alle waren von der äußersten Wachsamkeit.
Nun gab es im Hause der Acciaiuoli eine verheiratete Frau, die die keckste und schönste junge Frau von Florenz war und Nicolosa hieß; und ein junger Mann von den Buondelmonti hatte sich stark in sie verliebt. Die Dame konnte nicht in ihr Schlafzimmer gehen, ohne daß er sie von einem seiner Fenster aus gesehen hätte, das gerade gegenüber lag, und oft hatte er sie im Sommer ganz nackt gesehen, wie sie sich aus ihrem Bett erhob. Da dieser Buondelmonte nun von Liebe zu ihr entbrannt und doch mit ihrem Gatten verfeindet war, wußte er nicht, was er machen sollte; aber eines Tages kam er auf den Gedanken, mit einem Mädchen dieser Frau Nicolosa zu sprechen, und so tat er auch. Wie er eines Tages dieses Mädchen auf den Markt gehen sah, rief er sie an und bat sie, ihm einen Gefallen zu tun, wobei er aus seiner Geldtasche sechs Groschen herausnahm und sagte: »Kaufe dir für dies Geld, was du willst!«
Das geldgierige Mädchen nahm es und sagte: »Was wollt Ihr von mir?«
Buondelmonte erwiderte: »Ich bitte dich, mich Frau Nicolosa zu empfehlen und ihr in meinem Namen zu sagen, daß ich kein anderes Glück in der Welt habe als sie, und daß sie so freundlich sein möchte, Mitleid mit mir zu haben.«
»Wie sollte ich ihr das sagen?« antwortete das Mädchen; »denn Ihr wißt doch, daß ihr Gatte Euer Feind ist?«
»Mach du dir deswegen keine Sorge«, beruhigte Buondelmonte sie, »sage es ihr trotzdem, und laß mich wissen, was sie dir antworten wird!«
»Es wird geschehen«, sprach das
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